Es ist die Abrechnung mit den Bush-Jahren, mit einem irregeleiteten Abschnitt der jüngsten US-Geschichte, der in einer Linie mit Joseph McCarthys Kommunistenhatz und Richard Nixons Watergate-Affäre stehen wird. Ein Sonderermittler der US-Regierung untersucht nun die Foltervorwürfe gegen die CIA während der Amtszeit von Präsident George W. Bush. Die Wahl fiel auf den ehrenwerten John Durham, nicht zuletzt, weil er mit der Materie schon befasst ist und die Regierung von Bushs Nachfolger sich ein möglichst schnelles Ende der Ermittlungen erhofft. Doch die Erfahrung lehrt: Beginnt der Sonderermittler erst seine Arbeit, kann ihn niemand bremsen.

Dass am Ende der CIA-Affäre Anklagen gegen frühere hohe Regierungsmitglieder stehen oder gar Ex-Präsident Bush und sein finsterer Stellvertreter Dick Cheney belangt werden, lässt sich jetzt nicht mehr ausschließen. Zunächst aber geht es gegen den Geheimdienst. "Ich werde dafür kritisiert werden" , hat Justizminister Eric Holder nach der Ernennung des Sonderermittlers zugegeben. Viel Fantasie gehört nicht dazu. Vor allem US-Präsident Barack Obama ist mit seinem Kurswechsel in der CIA-Frage ein großes, aber unabwendbar gewordenes Risiko eingegangen.

Lange haben Obama und seine Mitstreiter versucht, eine Tür zuzuhalten, die unter dem Druck immer neuer bekanntgewordener Folterberichte aus amerikanischen Geheimgefängnissen aufzuspringen drohte. "Dies ist die Zeit des Nachdenkens, nicht der Vergeltung" , war Obamas Antwort. Es wäre unfair, "engagierte Männer und Frauen" vor Gericht zu stellen, die für die Sicherheit Amerikas arbeiteten, sagte Holder stets. Man darf nicht vergessen: Es war die Klage der Amerikanischen Bürgerrechtsunion ACLU, die zu Wochenbeginn die Veröffentlichung des internen CIA-Berichts über Folterpraktiken erzwungen hatte und damit die Regierung von Barack Obama unter Zugzwang brachte.

Eine Serie von Verfahren gegen Mitarbeiter der CIA wird den Geheimdienst nach dem Debakel um die nicht vorhandenen irakischen Massenvernichtungswaffen weiter aus der Bahn bringen. Das ist kein Argument, um Ermittlungen über die Folterkultur in der Behörde abzudrehen; es zeigt aber die Notwendigkeit, dem CIAim Kampf gegen den Terrorismus eine rechtlich wie politisch saubere Basis zu geben.

Die Regierung Bush hat ganz offenkundig das Gegenteil getan. Vier Memoranden aus dem Justizministerium aus den ersten Jahren nach 9/11 zeigen, wie das gesetzliche Folterverbot gebogen und gebrochen wurde: Gefangene gegen die Wand schleudern, Schlafentzug, simuliertes Ertrinken gehen vollkommen in Ordnung, stand dort zum Beispiel.

CIA-Mitarbeiter und bezahlte "Verhörspezialisten" haben sich nicht an die geheimen Richtlinien der Bush-Regierung gehalten und zu weiteren Martermethoden gegriffen - Scheinhinrichtungen oder Quälen Gefangener unter Ausnutzung von deren Phobien. Macht es noch einen Unterschied?

Die politisch Verantwortlichen der amerikanischen Folterjahre werden zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Alles andere würde die Ermittlungen in der CIA-Affäre unglaubwürdig machen und einen Neubeginn des Geheimdienstes scheitern lassen.

Barack Obama, der sein Amt im Jänner dieses Jahres mit dem Anspruch der moralischen Erneuerung der USAangetreten hat, wird die Wühlarbeit des Sonderermittlers in der Vergangenheit seines Amtsvorgängers durchstehen müssen - gegen den erbitterten Widerstand der Republikaner. Die Versuchung einzuknicken, um eine Mehrheit für seine Gesundheitsreform zustande zu bringen, wird dabei groß sein. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 26.8.2009)