Hamburg - Je länger sich der Poker um Opel in die Länge zieht, umso vielfältiger werden die Varianten für die Zukunft des Autobauers. Während General Motors (GM) in den vergangenen Monaten mit den Interessenten Magna und RHJ verhandelt hat, prüft die ehemalige Opel-Mutter nun Kreisen zufolge auch einen Verbleib des deutschen Autobauers im Konzern. Experten sehen in diesem überraschenden Schlenker aber eher Verhandlungstaktik, um neben dem von der deutschen Regierung bevorzugten Angebot von Magna eine Alternative zu schaffen. "GM baut eine Drohkulisse auf, sie wollen Stärke demonstrieren", heißt es in Finanzkreisen.

Eine Chronologie des Ringens um den Autobauer Opel seit Ende 2008:

14. November 2008: Nach Absatzeinbruch und massiven Verlusten ruft Opel als erster deutscher Autohersteller den Staat um Hilfe an: Eine Bürgschaft von Bund und Ländern über "etwas mehr als eine Milliarde Euro".

17. Februar 2009: GM will 47.000 Stellen streichen, davon 26.000 außerhalb der USA.

27. Februar: Opel will sich weitgehend von GM abkoppeln. Das Management strebt eine rechtlich selbstständige Geschäftseinheit an. Das von der öffentlichen Hand benötigte Kapital für ein neues europäisches Unternehmen Opel/Vauxhall wird auf 3,3 Mrd. Euro beziffert.

2. März: Der Rettungsplan wird der deutschen Regierung vorgelegt.

16.-18. März: Gespräche von Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in den USA bleiben ohne konkrete Ergebnisse.

30. März: US-Präsident Barack Obama stellt GM ein Ultimatum von 60 Tagen, um ein tragfähiges Sanierungskonzept vorzulegen.

31. März: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellt in Rüsselsheim staatliche Unterstützung in Aussicht. Einen direkten Staatseinstieg, den etwa Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) fordert, lehnt Merkel aber erneut ab.

23. April: Fiat will Opel übernehmen. Der Vorsitzende des Opel-Gesamtbetriebsrats, Kaus Franz, lehnt dies für die Arbeitnehmer ab.

28. April: Der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna legt ein erstes "Grobkonzept" für Opel vor.

14. Mai: Die deutsche Bundesregierung will Opel über ein Treuhandmodell mehr Zeit für Verhandlungen mit Investoren geben.

19. Mai: Vertreter von Bundesregierung und Ländern sowie deutscher Banken einigen sich auf eine Brückenfinanzierung für Opel.

27. Mai: GM kündigt an, sein Europa-Geschäft mit der Hauptmarke Opel rechtlich abzuspalten.

27./28. Mai: Eine Spitzenrunde im Kanzleramt scheitert zunächst. GM meldet einen zusätzlichen Finanzbedarf von 300 Mio. Euro an. Bis dahin war von einem Überbrückungskredit von 1,5 Mrd. die Rede.

29. Mai: Kurz vor einem neuen Krisentreffen in Berlin sagt Fiat seine Teilnahme ab. Der belgische Investor RHJI scheint aus dem Rennen, der chinesischer Autobauer BAIC legte kein detailliertes Angebot vor, so bleibt vorerst nur noch Magna im Spiel. Der Staat müsste für mindestens 4,5 Mrd. Euro bürgen.

30. Mai: Bund, Länder, GM, Magna und das US-Finanzministerium einigen sich auf ein Rettungskonzept. Der Weg für einen Überbrückungskredit an Opel von 1,5 Mrd. Euro und das lange umstrittene Treuhand-Modell ist frei. Opel soll aus dem GM-Verbund herausgelöst und nicht von einer Insolvenz des Mutterkonzerns mitgerissen werden. Magna will die vier deutschen Opel-Standorte erhalten. Es wird nur eine Absichtserklärung unterzeichnet. Das Papier ist nicht bindend.

1. Juni: GM reicht in New York einen Antrag auf Insolvenz mit Gläubigerschutz ein - die letzte Chance für eine rettende Sanierung. Die Liquidität Opels ist durch das Rettungspaket gesichert.

10. Juli: GM fährt zum Neustart aus der Insolvenz, mehrheitlich ist der US-Autobauer nun in Staatsbesitz. Zur Sanierung fließen weit mehr als 50 Mrd. Dollar (34,8 Mrd. Euro) Steuergelder.

15. Juli: Finanzinvestor RHJI stellt in Berlin ein verbessertes Übernahmeangebot für Opel vor. Die Bundesländer mit Opel-Standorten favorisieren Magna, weil der Zulieferer weniger Arbeitsplätze abbauen und Opel klarer vom früheren Mutterkonzern trennen will. Magna plant Staatsgarantien von 4,5 Mrd. Euro, RHJI 3,8 Mrd. Euro.

22. Juli: Weitere Verhandlungsrunde in Berlin. Der chinesische Hersteller BAIC scheidet praktisch aus dem Rennen aus. Es werden nur noch Detailgespräche mit Magna und RHJI geführt.

31. Juli: Opel-Absatz boomt in Deutschland dank der Abwrackprämie. Von Jänner bis Juli werden rund 219.000 Opel-Fahrzeuge zugelassen, ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum.

3./4. August: GM fällt bei einer zweitägigen Verwaltungsratssitzung keine Entscheidung und gibt auch keine Empfehlung, ob Magna oder RHJI im Bieterrennen um Opel bevorzugt werden soll.

4. August: Fortschritte, aber keine Entscheidung bei Verhandlungen in Berlin mit der Bundesregierung, betroffenen Bundesländern, GM, Magna und RHJI über die Opel-Zukunft.

7. August: GM-Chef Fritz Henderson und Magna-Chef Siegfried Wolf klären die noch offenen Fragen. Der GM-Verwaltungsrat kann sich nicht auf eine Empfehlung für einen der beiden Bieter einigen.

19. August: Bund und Länder drücken aufs Tempo und wollen den Kredit für Opel von 4,5 Mrd. Euro ohne Beteiligung der anderen europäischen Länder mit Opel-Standorten vorstrecken, wenn GM sich für Magna entscheidet.

21. August: Der GM-Verwaltungsrat vertagt erneut seine Entscheidung über die Angebote und legt sich immer noch nicht auf einen Bieter für Opel fest.

25. August: Erneutes Opel-Spitzentreffen zwischen Bund, Ländern und GM in Berlin. Medien berichten, dass der amerikanische Autokonzern prüft, ob er seine bisherige Tochter doch behalten sollte. Nach dpa-Informationen aus Verhandlungskreisen hält GM jedoch an seinen Plänen zum Verkauf von Opel fest. "Wir wollen Opel verkaufen", sagt eine mit den Verhandlungen vertraute Person. (APA)