Salzburg - Anders kann man das spielen, besser aber nicht: Das gilt für beide großen Konzerte des vorletzten Festspielwochenendes in Salzburg. Clemens Hagen war im vierten Konzert der Wiener Philharmoniker im Großen Festspielhaus der Solist in Robert Schumanns Cellokonzert a-Moll op. 129. Angelegt als großer Bogen des Solisten - gesanglich in der Kantilene, zupackend in der Attacke - war es ein fulminanter Auftakt. Aber in Erinnerung bleiben wird die "Neunte" Bruckners: Franz Welser-Möst hat es nicht einfach knallen lassen.

Die archaisch stampfenden Rhythmen, die von wilden Streicherfiguren durchbrochen werden; die gewitterwolkenartig sich zusammenballenden Melodien, unter denen das Stampfen der Bässe und des tiefen Blechs gleichsam im Kopf weitergeht: All das war in machtvollen Blöcken aufgebaut und dennoch durchgestaltet bis ins kleinste Detail dieses prächtigen Klangtempels.

Den Wiener Philharmonischen Bläsern gehört nach diesem Himmelsritt einmal mehr Reverenz erwiesen. Unvergessliche Momente: die Solopassagen im ersten Satz, etwa der Fagotte und Flöten oder der Klarinetten über dem leise verklingenden Hornmotiv. Und noch eine Sternstunde gab es an diesem Wochenende in Salzburg. Maurizio Pollini hat mit seiner Lesart der Klaviersonaten d-Moll op. 31 Nr. 2 Der Sturm und f-Moll op. 57 Appassionata den Kontinent Beethoven ausgelotet: vom magmagleich brodelnden Mittelpunkt bis hinauf in heiter-blaue Sphären.

Könnte man einen Bohrkern dieser Interpretation gewinnen, stünde man nicht vor einzelnen Schichten mit deutlich erkennbaren Einlagerungen, sondern vor dem überwältigenden Abbild einer einzigen kontinuierlichen Entwicklung.

Ruhevolles Largo und brillantes Allegro hat Maurizio Pollini im ersten Satzes dieser Sturm-Sonate derart souverän ausgelotet und in Balance gebracht, dass diese emotionalen Extremwerte dennoch wie auf einem einzigen großen Atem daherzukommen schienen.

Auch die Wucht der Sonate Appassionata war nur an der Oberfläche ein blindwütiger rückhaltsloser Teufelsritt über felsstarrende Abhänge: Die technische Perfektion und die klangliche Brillanz, mit der Pollini noch die dramatischsten Ausbrüche kontrollierte, waren atemberaubend.

Nicht einmal die vier Mazurken op. 33 von Frédéric Chopin ließ Pollini als launige Bravourstücke antanzen: Auch wenn der Dreivierteltakt markant spürbar blieb und die technische Souveränität erst recht pianistische Funken schlug, waren das berührende introvertierte Charakterstücke.

Kein Halten mehr gab es bei Chopins Scherzo Nr. 2 b-Moll op. 31. Das war ein herzhaft virtuoser Kehraus: wilde Läufe, donnernde Akkorde, große Kantilene - untermalt und akzentuiert vom Gesumme und Gebrumme des Meisters. Dass auch die Scherzi ihre Untiefen haben, war man nur zu gern bereit zu überhören, angesichts der mitreißenden Performance dieses großen Musikanten. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD/Printausgabe, 24.08.2009)