Thom Yorke mit Radiohead auf der Höhe ihrer Kunst, also in den Tiefen des Leids weißer Mittelstands-kids.

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St. Pölten - Radiohead wird in die Musikgeschichte eingehen. Als jene zentrale Band der Nullerjahre, die die europäische Avantgarde zwischen Elektroakustik und "Intelligent Techno" in den Stadionrock transponierte. Dabei mag das Quintett aus Oxford nicht darauf verzichten, seinen von orthodoxen Avantgardisten eher als "Experimente" belächelten Songfragmenten trotz aller Sperrigkeit eine gehörige Portion Pathos beizustellen. Kurz, auch Radiohead um Sänger Thom Yorke legitimieren als Rockmusiker nach wie vor mit gefälligen, getragenen Melodien und schmerzensreichem Gesang das Leiden privilegierter weißer Mittelstandskids.

Ihr seit dem Bestehen der Band in den frühen 1990er-Jahren erster Auftritt in Österreich beim FM4 Frequency Festival präsentierte die Band trotz aller Routine im variationsreichen Umgang mit dem eigenen Material allerdings auf der Höhe ihrer Kunst.

Kunst kommt aus dem Elektromarkt. Kalt beleuchtete Kunststoffröhren hingen von der Bühnendecke. Mit Überwachungskameras gedrehte, auf LCD-Screens übertragene Close-ups der Musiker flackerten grobkörnig in die Nacht. Man stellte vor allem das aktuelle, im Internet verschenkte Album In Rainbows in den Mittelpunkt der gut bestückten Show. Knapp 40.000 Besucher empfingen den Mehrwert des Alternative Rock im leichtfüßigen Übergang von E- zu U-Musik fußfällig und mild euphorisch. Erwähnenswert dabei: Zieht man das Zischeln, Rattern und den Sterbenskampf der Schaltkreise im Laptop als nette, aber längst obligatorische Arrangement-Idee ab, bleiben reichlich konventionelle Lieder für das FM4-Publikum übrig. Darum geht es in dieser längst zum Selbstläufer gewordenen Karriere von Radiohead nicht länger um das Betreten von Neuland.

"Neue" Musik ist nicht mehr möglich. Und Bricolage, die Verbindung einst unvereinbarer Stile und Moden manifestiert sich als finale Technik der Popmusik.

Am Ende hatte sich das Rasselwerk der auseinanderquengelnden Gitarren und Laptops im Midtempo-Bereich zart erschöpft. Der Zugabenblock mit konsensfähigeren Endzeitliedern wie dem Pyramid Song oder dem neuen, gratis im Netz beziehbaren Everything In Its Right Place versöhnten die tapfer in ihrer eigenen Modernität ausharrenden Massen. Da war das Leid wieder, wo es hingehört. Auf der Bühne und nicht im Publikum. (Christian Schachinger, DER STANDARD/Printausgabe, 24.08.2009)