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Foto: APA/BUBU DUJMIC/I.S.T. AUSTRIA

Wien/Klosterneuburg - Eigentlich sitzt der Evolutionsbiologe Nick Barton (53) an seinem neuen Arbeitsort, dem Institute of Science and Technology (IST) Austria in Maria Gugging bei Klosterneuburg (NÖ), genau in jenem Grenzstreifen, der ihn im Zuge seiner Forschungen mehrfach interessiert hat: im Überlappungsbereich der Verbreitungsgebiete von Gelbbauch- und Rotbauchunken. Feldarbeiten an Unken sind in Maria Gugging dennoch nicht geplant, "die Verteilung der Tiere ist zu lückenhaft", sagte der gebürtige Brite, der vor einem Jahr aus England ans IST Austria kam.

Rotbauchunken (Bombina bombina) und Gelbbauchunken (Bombina variegata) sind eng verwandte, aber normalerweise doch klar zu unterscheidende Amphibien. In Österreich kommt die Rotbauchunke im Tiefland Ostösterreichs vor, in höheren Regionen wird sie von der Gelbbauchunke abgelöst. Zwischen den beiden Verbreitungsgebieten der Arten existiert quer durch Europa ein Streifen in denen nicht nur beide Arten anzutreffen sind, es kommt auch häufig zu zwischenartlichen Paarungen. Das Ergebnis sind sogenannte Hybriden, welche Merkmale beider Spezies tragen.

Vorkommen werden rar

In diesen Hybridzonen wurde die Artbildung nie abgeschlossen, sie sind quasi hochaktive Freiland-Laboratorien für Genetiker und Evolutionsforscher. Hier werden Gene und Eigenschaften vermischt und wieder getrennt, neue Kombinationen ausprobiert oder wieder verworfen. Alleine der vielerorts zu beklagende Rückgang der Unken macht Barton und seinen Wissenschafterkollegen einen Strich durch die Rechnung. Nicht nur in Österreich, auch in Kroatien und Rumänien werden die Vorkommen rar. "Für gute Modelle braucht es aber eine gute Stichprobe und eine ausreichend Verbreitung. Es müssen auch Gebiete natürlichen Ursprungs sein oder Gebiete, die landwirtschaftlich eher traditionell bewirtschaftet werden", erklärte Barton.

Löwenmäulchen

Deshalb studiert der Forscher, der heuer in London mit der "Darwin-Wallace-Medaille" der Linnean Society - der renommiertesten Auszeichnung im Bereich der Evolutionsbiologie - ausgezeichnet wurde, Hybridzonen derzeit in Kooperation mit anderen "Grenzforschern" anhand von Löwenmäulchen. Die rund 20 Arten in Westeuropa würden sich vor allem in Farbe und Blütenform unterscheiden, womit wiederum unterschiedliche Bestäuber angezogen würden. "Hier gibt es einige schöne Hybridzonen, bei denen wir wissen, welche Gene involviert sind." Nun stelle sich aber die Frage, ob noch andere Gene involviert sind und wie eine Art von einer Blütenform zu einer anderen kommt.

Sikahirsch

Mit Kollegen aus Edinburgh, wo Barton zuvor an der Universität tätig war und den Lehrstuhl für Evolutionsgenetik innehatte, erforscht der Brite zudem die Hybridzonen von Rot- und Sikahirschen, einer japanischen Art mit viel geringerer Größe, die vor 100 Jahren nach England eingewandert ist. "Hier kommt es regelmäßig zu Kreuzungen." Es stelle sich die Frage, wie sich der Sikahirsch ausbreiten wird. Der Rothirsch hat insbesondere für die Schotten einen symbolischen Wert, so Barton halbernst. Die Menschen wollten nun wissen, ob der Hirsch künftig kleiner wird.

Barton ist über seine Forschung an Hybridzonen grundsätzlich an Artenentstehung, die einer natürlichen Selektion vieler Gene unterliegt, und damit "insbesondere an der Evolution einer großen Anzahl von Genen" interessiert. Zu ihrem Verständnis entwickelte er eine Reihe mathematischer Techniken. "Dabei geht es nicht nur darum, wie sich ein Gen über die Zeit verändert, sondern sich ganze Abschnitte (Sections, Anm.) verändern oder miteinander interagieren", so Barton. Mit seinen Arbeiten hat er wesentlich zum Wissen über die Anpassung der Arten und die Aufspaltung in neue Arten beigetragen. 

Selektion von Computerprogrammen

Insbesondere im Hinblick auf das IST "mit einer starken Gruppe an Computerwissenschaftern" ist einer der Forschungsschwerpunkte Bartons nun auch die Frage, "wie Selektion genutzt werden kann, um bessere Computerprogramme zu entwickeln". So ginge es etwa um die Anwendung des "evolutionären Wettkampfes": "Die Idee ist, dass man ein Computerprogramm hernimmt, hier willkürliche Veränderungen vornimmt, man kann sie neu kombinieren oder mischen und lässt quasi Hybridprogramme entstehen. Dann selektiert man und wählt jenes Replikat aus, welches die beste Performance hat."

Das habe sich bisher schon als überraschend effektiv herausgestellt. "Und es ist auch viel leichter als darüber nachzudenken, wie das beste Programm aussehen sollte." Die Theorie der Evolutionsbiologie wird dabei auf ein anderes Gebiet angewendet.

Analogien

Auch bei seiner ersten Veröffentlichung, die vom IST Austria ausging, suchte Barton nach Ähnlichkeiten aus verschiedenen Bereichen: Er untersuchte Analogien zwischen statistischer Mechanik und Thermodynamik und natürlicher Selektion. Denn eine große Anzahl von Molekülen oder Atomen im Verbund habe ein systematisches Verhalten wie es auch jenem ähnelt, das eine große Anzahl an Genen in einer Population eine Veränderung hervorrufen lässt. Es habe sich "eine sehr präzise Analogie" gezeigt zwischen der Verteilung von Gen-Frequenzen in einer Population und der Verteilung von Energielevels von Molekülen, so Barton.

Biografie

Nicholas "Nick" Barton wurde am 30. August 1955 in London geboren. Er studierte Genetik an den Universitäten Cambridge und East Anglia. Bevor er 1990 an die Universität Edinburgh ging, war er am University College London tätig. 2006 wurde er mit der Darwin-Medaille der Royal Society ausgezeichnet. Der Wissenschafter, Mitglied der Royal Society in London, hat im Bereich der Evolutionstheorie mathematische Ansätze für eine Vielzahl von Problemen und Datensätzen angewendet. (APA)