Bild nicht mehr verfügbar.

Mayer (29) freute sich über Platz acht. Er ist einer der größten Franzensdorfer, aber einer der kleinsten Diskuswerfer.

Foto: Reuters

Berlin/Wien - Groß sein ist relativ. Mit seinen 1,93 Metern war Gerhard Mayer der mit Abstand kleinste Werfer im Diskus-Finale der Leichtathletik-WM in Berlin. In Österreich wiederum gibt's wenige, die so groß sind wie Mayer, und unter Österreichs Leichtathleten ist er der allergrößte, weil derzeit einzige in der Weltspitze. Mayer hatte als Achter Österreichs bestes WM-Resultat seit jener Silbernen gelandet, die Stephanie Graf 2001 über 800 Meter holte.

Franzensdorf bei Groß-Enzersdorf bei Wien ist nicht besonders groß. Hier stehen 150 Häuser und eine Kirche, eines der 150 Häuser ist ein Autohaus, es gehört Mayers Eltern. Die Franzensdorfer werden wohl keine Straße nach Mayer benennen, so viele Straßen haben sie nicht. Aber sie werden wieder stolz sein auf ihren stärksten Mann, so wie sie es schon im Mai waren, als er in Kalifornien den 27 Jahre alten österreichischen Diskusrekord von Georg Frank gelöscht und auf 65,06 Meter verbessert hat.

Mayer (29) ist seiner Heimat stark verbunden. Onkel Helmut, ein pensionierter Landwirt und großer Diskusfan, wahrscheinlich Österreichs größter, Onkel Helmut hat Gerhard ein Feld, eine Lagerhalle und eine Scheune abgetreten. Zum Training ist's vom Autohaus kaum mehr als ein Diskuswurf. Auf das Feld, es liegt in der Franzensdorfer Peripherie, haben Mayer und sein Trainer Gregor Högler, Österreichs ehedem bester Speerwerfer, zwei Wurfkreise gelegt. So kann Mayer seine zwei Kilo schweren Scheiben mit oder gegen den Wind hinauskatapultieren, er tut dies bei fast jedem Wetter, schließlich ist der Athlet auch im Wettkampf nicht vor Wind, Regen und also Rutschgefahr gefeit.

Ab und zu allerdings macht auch Indoor-Training Sinn, dann trifft man sich in Onkel Helmuts Lagerhalle. Mayer, HTL-Absolvent (und Zeitsoldat), und Högler, Maschinenbaustudent, haben spezielle, wie sie sagen, "Kateges" gebastelt, KTG steht für Krafttrainingsgeräte. Hier lassen sich Abläufe üben, Mayer schleudert seinen Diskus immer wieder in ein Netz, Högler korrigiert und lobt. "Es ist gut", sagt der Trainer, "wenn manchmal der Bezug zur Weite verlorengeht."

Die Scheune und das Tor 

Wieder herstellen lässt sich der Bezug in Onkel Helmuts Scheune gleich hinter der Lagerhalle. In strengen Wintern wirft Mayer aus dem Scheunentor auf ein Feld hinaus. Er muss sich konzentrieren, um den vorgeschriebenen Sektor, also das Tor, zu treffen, sonst prallt der Diskus von einem Scheunenbalken zurück. "Ein bisserl Rocky-mäßig" sei das schon, sagt Högler, und er beschreibt seinen Schützling als "ehrgeizig, intelligent und sehr geduldig".

Vor einem Jahr hatte Mayer die Olympischen Spiele in Peking auf Rang 18 beendet. Er ist konstanter geworden, wirft vor allem gut, wenn Wind einen Wettkampf beeinflusst, weil sich halt oft auch auf Onkel Helmuts Feld in Franzensdorf ein Lüfterl regt. In Berlin war's am Mittwoch fast windstill, umso bemerkenswerter die 63,17 Meter, mit denen der Quali-Elfte Mayer noch auf Platz acht kam. Was Mayer auf Sicht zuzutrauen ist? Högler: "Ich will ihm keine Grenzen setzen." Zumindest dem Wachstum der Bäume sind in Franzensdorf keine Grenzen gesetzt. (Fritz Neumann; DER STANDARD Printausgabe 21. August 2009)