Studenten der Linzer Kunstuniversität waren bei der Entwicklung der Figuren in Roger Titleys Werkstätte in Südafrika dabei: Jeder von ihnen betreut vier Tierarten, die Freiwillige bauen und bewegen.

 

Foto: Titley

Am 18. September 1979 legte sich mit Bruckners Achter Symphonie eine Wolke aus Klang über Linz und eröffnete damit die Ars Electronica, das Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft. Seither sind diese Events miteinander verschränkt, ist die Ars Electronica nicht ohne die Klangwolke, die Klangwolke nicht ohne Brucknerfest zu denken.

Dieses Jahr wird also geflutet: Und das bringt Krokodile, Oktopusse, Affen und Giraffen, aber auch viele heimische Tiere nach Linz. Fast 500 Exemplare von 40 verschiedenen Arten sollen in Linz - wie passend nach den heurigen Niederschlagsmengen! - vor der Sintflut gerettet werden: Flut heißt das von Airan Berg und Martina Winkel konzipierte Stück, das nicht nur bei der biblischen Geschichte von der Arche Anleihen genommen hat und Noah einen Anti-Noah (Sprecher: Andrea Eckert und Wolfram Berger) beistellt. Heuer ist von der Musik bis zum Spiel wirklich alles live - bei rund 1000 Freiwilligen, die benötigt werden, um den Tieren Leben einzuhauchen, ein anspruchsvolles Unterfangen.

Entworfen hat die Tiere in den vergangenen zwei Jahren der Südafrikaner Roger Titley, einer der international wichtigsten Kreaturenbauer für Werbung und Kino. Polyethylen, gefertigt im nahen Kremsmünster, ist das Material, aus dem Dickhäuter genauso wie das Federvieh gebastelt wurden.

Denn die Schöpfung der Fauna, die sich wunderbar ins Ars-Electronica-Thema Neuerfindung der Natur fügt, ist tatsächlich eine wilde Bastelei: 40.000 Einzelteile, per Wasserstrahl aus einer Art Schnittmuster geschnitten, müssen per Hand zusammengesetzt werden. Auch nicht schwerer, als einen Kasten eines schwedischen Möbelriesen zusammenzubasteln, das sei Roger Titley wichtig gewesen, denn beim Zusammensetzen sind wieder die Linzerinnen und Linzer gefragt: Alt und Jung, Seniorenvereine, Sport- und Jugendgruppen basteln und bewegen die Tiere.

Mehrere Studenten der Linzer Kunstuniversität betreuen die Freiwilligen. Sie waren bei der Entwicklung in Südafrika dabei und sind quasi von Titley zu wahren Meistern des Tiere-Steckens ausgebildet worden.

In Dimensionen der Ars Electronica könnte man von Slow Technique sprechen oder sich bei den Polyethylen-Viechern an Theo Jansens Strandbeesten erinnert fühlen: Urzeitliche Kreaturen, konstruiert aus gelben Plastikrohren, Kabelbindern, Nylonfäden und Klebebändern. Maschinen, die der Niederländer 2005 mittels Wind auf Tonnen von Sand auf dem Hauptplatz spazieren gehen ließ.

Affengang und Schweinetritt

Heuer wuseln noch viel mehr Tiere durch die Stadt. Bereits jetzt üben die Freiwilligen mit Bewegungstrainern Affengang und Wildschweintritt, schlängeln sich Inline-Skater als Schlangen, arrangieren sich Taucher mit den acht Krakenarmen.

Dieses Integrieren der Bevölkerung von Linz und Umgebung ist neben dem Ausbrechen aus dem angestammten Bereich zwischen Nibelungenbrücke und Brucknerhaus wirklich das Besonderste an der visualisierten Klangwolke 2009: Die Vielfalt der Tiere trifft auf die Vielfalt der hier lebenden Menschen, Gemeinschaft wird sichtbar und trägt sich bereits am Nachmittag in die Stadt hinein. Die Stadt wird zur Bühne und die Flut zur positiven Metapher. (Anne Katrin Feßler / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.8.2009)