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Swima bombiviridis

Foto: AP/Steve Haddock, Monterey Bay Aquarium Research Institute, Science

La Jolla - Es sind die Schwimmbewegungen, die ihn verraten. Das elegante Schlängeln, womit der Wurm die lichtlosen Tiefen des Pazifik durchkreuzt, könnte sein Ende bedeuten. Ein Raubfisch mit hochsensiblem Seitenlinienorgan hat die potenzielle Beute anhand winziger Wasserturbulenzen geortet und pirscht sich nun heran. Doch kurz bevor der Flossenträger zuschnappen kann, blitzt es. Grelles grüngelbes Licht blendet die empfindlichen Fischaugen. Der Wurm nutzt die Schrecksekunden und verschwindet im Dunklen.

Solche Szenen, glaubt Karen Osborn, dürften sich täglich unzählbar oft in der Tiefsee abspielen, aber sie sind dennoch eine kleine wissenschaftliche Sensation. Osborn ist Meeresbiologin an der Scripps Institution of Oceanography im kalifornischen La Jolla. Sie und vier weitere Kollegen sind die Entdecker einer bislang unbekannten Borstenwurm-Gattung, die offenbar gezielt Licht zur Abwehr von Fressfeinden einsetzt. Die Forscher tauften die skurrilen Meeresbewohner auf den wissenschaftlichen Namen Swima und veröffentlichten die ersten Erkenntnisse in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science (Bd. 325, S. 964).

Swima lebt, im Gegensatz zu den allermeisten Meeresborstenwürmern, freischwimmend im offenen Wasser. Insgesamt konnten Karin Osborn und Kollegen sieben verschiedene Swima-Spezies dingfest machen. Sie fingen die bis knapp zehn Zentimeter langen Würmer mittels Tauchroboter in Wassertiefen zwischen 1800 und 3800 Meter vor der Westküste der USA und in der Celebes-See nahe den Philippinen.

Fünf der Swima-Spezies tragen Blasen an den Körpersegmenten direkt hinter dem Kopf. "Es sind umgewandelte Branchien oder Kiemen", erklärt Osborn gegenüber dem Standard. Deren Inneres ist mit Flüssigkeit gefüllt. Wie Unterwasseraufnahmen zeigen, können die Tiere die Blasen abstoßen, unmittelbar danach leuchten diese sekundenlang hell auf. Die Forscher sind überzeugt, dass Swimas biologische Leuchtbomben der Feindabwehr dienen. Plötzlich aufblitzendes Licht dürfte in der Tiefsee einen erheblichen Verwirrungseffekt haben, auch wenn sich andere dort lebende Tiere mittels Leuchtorganen untereinander verständigen. Eine ähnliche Verteidigungsstrategie scheint z. B. die Tintenfisch-Art Octopoteuthis deletron zu verfolgen. Wenn sie sich bedroht fühlt, breitet sie schlagartig ihre Fangarme mit leuchtenden Spitzen aus.

Swima ist nicht nur wegen ihrer Blendgranaten interessant. Die Gattung stellt anscheinend auch eine eigenständige evolutionäre Entwicklungslinie dar. Aufgrund ihrer freischwimmenden Lebensweise drangen die Tiere in einen völlig neuen Lebensraum ein. "Dadurch wurden sie mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert als ihre Vorfahren am Meeresboden", betont Karen Osborn. Die Würmer werden die Wissenschaft noch länger beschäftigen. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. August 2009)