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Inzko: "Die Bosnier werden mehr auf eigenen Beinen stehen und kompromissbereiter sein müssen. Aber es gibt immer die Diskussion, wie in der Medizin, ob man den Gips lieber früher wegwerfen soll oder später?"

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Der Österreicher Valentin Inzko hat eines der höchsten Ämter in Bosnien-Herzegowina inne. Er ist der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft und damit berechtigt, demokratisch gewählte Amtsträger zu entlassen und Gesetze zu erlassen. "Der Hohe Repräsentant kann nicht auf ewig bleiben", meint Inzko im Interview mit derStandard.at. Bosnien und die Mehrheit der EU-Länder befürworten ebenfalls eine Schließung des Büros. Ob die auch gleich Ende dieses Jahres erfolgen kann, wird im November entschieden.

Zwar sieht Inzko auch 14 Jahre nach dem Krieg noch einigen Reformbedarf im Land, trotzdem ist er optimistisch, was Bosniens Zukunft "auf eigenen Beinen" angeht. Er bleibt ohnedies. Als Sonderbeauftragten der EU.

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derStandard.at: Das Büro des Hohen Repräsentanten (OHR) in Bosnien-Herzegowina soll eventuell mit Ende des Jahres geschlossen werden. Ist das schon fix?

Inzko: Es wird zu einer Transition kommen, und zwar vom Büro des Hohen Repräsentanten zu einem gestärkten Büro des Sonderbeauftragten der EU. Über den konkreten Zeitplan der Transition wird der Friedensimplementierungsrat Mitte November beraten. Ich halte derzeit ja beide Mandate, und als Sonderbeauftragter der EU habe ich jetzt schon 30 Mitarbeiter, die im Zuge der Transition auf etwa 80 Mitarbeiter aufgestockt werden sollen. Es könnte aber auch sein, dass entschieden wird, das Engagement des OHR zu verlängern. Die Mehrheit der EU-Mitgliedsländer befürwortet eine Schließung des Büros.

derStandard.at: Es heißt immer wieder, dass das OHR eine positive Entwicklung auch behindert hat, weil man damit der Politik die Eigenständigkeit aber auch die Verantwortung nimmt.

Inzko: Die Bosnier werden mehr auf eigenen Beinen stehen und kompromissbereiter sein müssen. Aber es gibt immer die Diskussion, wie in der Medizin, ob man den Gips lieber früher wegwerfen soll oder später? Aber ich denke, dass es Zeit ist, darüber nachzudenken, ob Bosnien ohne den OHR seinen Weg finden könnte. Der Hohe Repräsentant kann nicht auf ewig bleiben. Internationale Präsenz wird es aber noch lange geben, aber eher in der Rolle als Vermittler. Vor allem in der Versöhnungsarbeit oder im Bereich der Funktionalität des Staates kann unsere Hilfe nützlich sein.

derStandard.at: Sie haben gesagt, Sie seien "moderat optimistisch", dass das politische Klima bis Ende des Jahres so ist, dass eine Schließung tatsächlich auch möglich ist. Bis heute gibt es aber keine Lösung im Verfassungsstreit und auch sonst blockieren sich die drei Ethnien in der Regierung.

Inzko: Bosnien wird nächstes Jahr natürlich kein perfektes Land sein, da habe ich keine Illusionen. Eine umfassende Verfassungsreform wäre wünschenswert. Aber auch in anderen Ländern dauert so eine Reform lange. Einen Urknall wird es in Bosnien nicht geben, eher eine Verfassungsreform "light". Wir warten gerade auf ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes, das über eine Beschwerde von Jacob Finzi, dem Vorstehenden der jüdischen Gemeinde, berät, weil Minderheiten im Land, wie zum Beispiel die Juden, nicht für gewisse Ämter kandidieren dürfen. Zur Zeit können ja nur Mitglieder der drei Ethnien kandidieren.

derStandard.at: Denken Sie, dass das komplizierte Staatsgebilde je vereinheitlicht wird?

Inzko: Bosnien-Herzegowina wird nie ein zentralisierter Staat sein. Ich hoffe aber, dass es trotz komplizierter Strukturen zu mehr Prosperität kommen wird. Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass sich die Akteure zusammenreden und die Strukturen vereinfachen.

derStandard.at: Die so genannten "Bonner Vollmachten" (der Repräsentant kann u.a. demokratisch gewählte Amtsträger entlassen und Gesetze erlassen) fallen nach der Schließung des OHR weg.

Inzko: Ja, aber ich wäre weiter zuständig für das Monitoring des Daytonvertrags und hätte eine Art Schiedsrichterfunktion. Gewisse Möglichkeiten, was Sanktionen betrifft, gibt es natürlich trotzdem. Zum Beispiel könnte man EU-Projekte stoppen, den Visumzwang für betreffende Politiker einführen oder deren Konten einfrieren.

derStandard.at: Ihr Vorgänger, Miroslav Lajcak meinte kürzlich, dass die internationale Gemeinschaft "nicht weiß, was sie will", und "keine klaren Regeln" vorgibt. Was sagen Sie dazu?

Inzko: In der EU gibt es 27 Architekten und da ist es natürlich nicht leicht, ein Gebäude zu errichten. Aber wir haben sehr gute Fundamente. Die Vorgaben der EU sind konkreter als man denkt und die Strategien für den Beitritt sind klar. Auch für die Visaliberalisierung gibt es klare Kriterien für alle. Von 174 Punkten hat Bosnien circa 150 erfüllt. Ich gehe davon aus, dass Bosnien seine restlichen Aufgaben in dieser Hinsicht bis Juni 2010 erfüllen kann.

derStandard.at: Sie haben einmal gemeint, dass Bosnien 2014 der EU beitreten könnte. Ist das Datum noch realistisch?

Inzko: 2014 ist eventuell zu optimistisch. Aber es wäre eine schöne Symbolik, wenn Bosnien und anderen Balkanländer zum 100. Jahrestag des Attentats von Sarajewo und des Beginns des Ersten Weltkriegs der EU beitreten könnten. (Manuela Honsig-Erlenburg, derStandard.at, 21.8.2009)