Dirigent Gerd Albrecht

Grafik: DER STANDARD

Zuerst hieß es, er hätte seine kritische Äußerung, die er vor dem Konzert in Kopenhagen getätigt hatte, bedauert. Aber das würde nicht zu ihm passen, dachte man. Und prompt bekräftigte Gerd Albrecht, Chefdirigent des Dänischen Radiosymphonieorchesters, dass davon keine Rede sein könne: "Ich bin doch kein Idiot! Ich habe ganz bewusst die Möglichkeit zur öffentlichen Äußerung genutzt und das Mikrofon ergriffen, um gegen die dänische Unterstützung für den Krieg im Irak zu protestieren."

Bedauert habe er ausschließlich, dass er vorab keine Information über die Regeln für alle DR-Angestellten bekommen habe. Diese verbieten nämlich, private politische Äußerungen im Rundfunk öffentlich zu machen, was Albrecht die Androhung einer fristlosen Entlassung durch den dänischen Rundfunksender DR einbrachte.

Engagement ist irgendwie selbstverständlich für den keinesfalls konfliktscheuen 67-Jährigen, der einst mit 27 Jahren der jüngste deutsche Generalmusikdirektor (in Lübeck) war. Wobei: Dies muss nicht unbedingt immer in Form von verbalen Politstatements erfolgen, Albrecht ist ja Musiker, einer, der es sich nicht im obligaten klassisch-romantischen Repertoire gemütlich macht - er kümmerte sich durch zahlreiche Uraufführungen auch um die Präsenz der Moderne im Repertoire. Auch Werken von Komponisten, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden, gilt seine Aufmerksamkeit. Und seine auf Tonträger gebannten "Klassikerklärungsversuche" zeugen von der Lust auf Vermittlung von Kunst. Auch für die jüngsten unter den Hörern.

Im Laufe seiner Karriere arbeitete der 1935 in Essen geborene Sohn eines Musikwissenschafters zunächst in Kassel, Berlin und Zürich. Wesentlich: Unter Intendant Peter Ruzicka war er danach an der Hamburgischen Staatsoper von 1988 bis 1997 Generalmusikdirektor und Mitarchitekt einer glanzvollen Ära. Parallel dazu wurde er 1993 der erste ausländische Chefdirigent der Tschechischen Philharmonie Prag.

Ebendort gab es allerlei Probleme. Intrigen und patriotisch motivierte Kritik vergifteten das Klima - Albrecht blieb nicht länger als drei Jahre. Als schließlich Präsident Václav Havel noch Kritik an Albrechts Kompetenz äußerte, reagierte dieser mit einem offenen Brief und demissionierte kurz danach - nicht aus künstlerischen Gründen, sondern, wie er erläuterte, wegen einer "politischen Beschränktheit", die ihn irritiert hatte.

Für eine Entlassung aus seiner jetzigen Position als Orchesterchef sieht Albrecht keinen Anlass, es würde ja bei dieser einen Aktion bleiben. Die allerdings hat wohl sein müssen. Mögliches Motto: Als öffentliche Person hat man seine Meinung mitunter öffentlich zu machen. (DER STANDARD, Printausgabe vom 26.3.2003)