Die Krise von Justiz und Innerer Sicherheit ist hausgemacht. Es ist wohl historisch nachweisbar, dass Justiz und Innere Sicherheit immer massiven politischen Einflüssen ausgesetzt waren: Was sich aber seit dem Jahr 2000 in Österreich abspielt, manifestiert sich derzeit als Notstand des Rechtsstaates und ist meiner Meinung nach vorwiegend den konservativen Kräfte in diesem Land anzulasten.

Fast fühlt man sich an die Zeiten Dollfuß' erinnert, in denen die konservativen Kräfte ähnlich brutal ihren Rechtsstandpunkt umsetzten. So wie damals wird heute wieder versucht, eine Zweiklassengesellschaft einzuführen. Das bestätigt offensichtlich die Aufdeckung von Fallentscheidungen im Justizministerium, die mittels Weisung "gelenkt" worden sein dürften. Was im Periodikum Falter als "Justizskandal" veröffentlicht wird, liefert trauriges Zeugnis einer katastrophalen Entwicklung.

Der derzeitige Kärntner Landeshauptmann Dörfler, engster Freund von Jörg Haider, der wiederum selbst als Verfassungsjurist und Universitätsassistent bei Rechtsprofessor Günther Winkler agierte und der von Juristen der Kärntner Landesregierung beraten wurde, soll angeblich nicht tateinsichtig gewesen sein: Diese sonderbare Einstellung in der Auseinandersetzung um die zweisprachigen Ortstafeln sowie die Anwendung des § 278 a StPO auf die Tierschützer sprechen jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn.

Mir ist noch sehr gut erinnerlich, dass beim Vorliegen der Fakten von "wirklicher" organisierter Kriminalität im Fall David Sanikidze (der 1996 begonnen hat) die Justiz nicht bereit war, eine Verurteilung nach § 278 a des Strafgesetzbuches herbeizuführen. Im Fall der Tierschützer sollen nun diese Tatbestandmerkmale verwirklicht worden sein - das riecht nach massiver politischer Intervention, vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, wer nun die handelnden und treibenden Kräfte dieser "Rechtsfindung" sind.

Politischer Wille gefragt

Österreich hatte seit der Ereignisse des Jahres 1848 das Glück, eine qualitätsmäßig kontinuierlichen Entwicklung des Justiz- und Sicherheitswesen erlebt zu haben. Das lag vor allem an den großen Persönlichkeiten und hervorragenden Wissenschaftlern (wie z. B. Le Monnier, Hans Gross), die das Rechts- und Verwaltungswesen einer hohen Organisations- Rechts- und Sicherheitskultur einverleibten. Andererseits lag es aber auch an der Ernsthaftigkeit des politischen Willens der Herrschenden, diese Rechtstradition zu fördern. Diese hochwertige Rechtstradition setzte sich in der Ersten und Zweiten Republik, ausgenommen einem kräftigen Rückschlag unter Dollfuß im Jahr 1934, fort.

Seitdem die konservativen Kräfte bei Justiz und Innerer Sicherheit wieder das Sagen haben, also seit dem Jahr 2000, bemerkt man eine stete Rückentwicklung im Justiz-und Sicherheitswesen. Wer glaubte, man habe die Ära Metternichs überwunden, wurde unter Strasser und Co eines Besseren belehrt. Immer mehr kommt heute zum Vorschein, dass den Verlockungen zur Unterminierung der einst geschaffenen hohen Standards des Rechts und der Sicherheit nachgegeben wird.

Nur so ist es erklärbar, dass auf einmal das Gebot der Gewaltentrennung und die Balance der Machtverhältnisse nicht mehr den Rahmen politischer Handlungen darstellt, sondern der Einfluss politischer Willkür auf die unabhängige Richterschaft, die Staatsanwaltschaft, die Verwaltung und Exekutive schier grenzenlos zu wuchern scheint.

Der ehemalige Justizminister Broda würde sich im Grab "umdrehen" , müsste er erleben, was gegenwärtig passiert. Wir erleben eine dramatische Krise der Justiz und der Inneren Sicherheit, die Grundsätze der französischen Revolution, "Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit" , werden über Bord geworfen. Es zählen nur noch Lobbyismus, Macht und rückhaltslose Einflussnahme aus egoistischen Zielsetzungen. Die ÖVP ist Haupttäter, die SPÖ Mittäter. Mit den derzeitigen Verantwortlichen, die bar jedweder ethischer, moralischer Hemmungen handeln, werden wir diese Krise nicht in den Griff bekommen. (DER STANDARD-Printausgabe, 19.8.2009)