Foto: Regine Hendrich, Der Standard

Geschlechtssensible Pädagogik im Kindergarten in Wien-Meidling: Mädchen dürfen hämmern - und Buben werden ausdrücklich ermutigt zu nähen.

Foto: Regine Hendrich, Der Standard

Wien - Ein Spielzeug sorgt für kurze Irritation: "Das hat ein Kind mitgebracht. Aber das ist ja in Ordnung" , rechtfertigt eine Kindergärtnerin das Corpus Delicti. Das kleine Einhorn aus Plastik steht am Fensterbrett, mit wallender Mähne - und vor allem ganz in Rosa. Es ist ein Fremdkörper in dieser Umgebung, in einem der wenigen öffentlich-städtischen Kindergärten, die ganz auf genderbewusste Pädagogik ausgerichtet sind.

Seit die Ergebnisse der jüngsten Aufnahmetests für angehende Medizinstudenten bekanntgegeben wurden, wird wieder über festgefahrene Rollenbilder debattiert: Denn die Tests haben gezeigt, dass deutlich mehr Frauen zu dieser Prüfung antreten, aber proportional auffallend viele weibliche Bewerberinnen scheitern. Zu viele. Rufe nach Quoten werden laut. Ein Erklärungsversuch: Mädchen würden in der Schule in den Naturwissenschaften zu wenig gefördert.

"Das wird aber schon im Kindergarten begründet" , ist sich Inge Kugler, Leiterin dieser kleinen städtischen Betreuungseinrichtung, sicher.

Von der Straße aus ist ihr Kindergarten kaum zu sehen. Ein flacher Bau, völlig umschlossen vom Max-Opravil-Hof, einem Gemeindebau in Wien-Meidling. Außen endlos scheinende Häuserfluchten, innen ein kleines Haus mit großem Garten, ein richtiges Kinderparadies. Es ist der einzig öffentliche Kindergarten dieser Art in der Bundeshauptstadt: Erstmals wurde - beim Umbau 2005 - auch baulich versucht, die Handlungsspielräume für Jungs und Mädels zu erweitern.

Die Wände sind neutral gehalten, Türkis und Gelb sind die Farben, die herausstechen. Und das Glas, das die Räume durchlässig erscheinen lässt. Derzeit gibt es drei Kindergartengruppen mit Drei- bis Sechsjährigen und eine Krippe für die ganz Kleinen. Es sind viele Migrantenkinder hier, viele aus armen Haushalten. Probleme mit dem Bildungskonzept gebe es nicht, versichert Kugler. "Das hat mich anfangs auch gewundert. Ich war vorher in Wien-Liesing, da gab es schon Väter, die sagten: Mein Bub backt keinen Kuchen!" Hier stechen auch die türkischen Papas (manchmal) Kekse aus - die Mütter oder Großmütter werken dafür mit der Laubsäge. Was nicht zu finden ist: Puppen- wie Bauecken.

Dafür gibt es Bücher, in denen etwa die beschriebenen Berufsbilder nicht Stereotypen (Feuerwehr-Mann, Haus-Frau) entsprechen. Eine Werkbank steht für alle Kinder bereit, und es kann mit Playmobilfiguren gespielt werden, "die auch umbenannt werden können" (Kugler), wenn das Geschlecht gerade nicht passt. "Wir bieten nicht nur den Buben an, dass sie etwas nähen können, wir begleiten und ermutigen sie dazu" , beschreibt die Kindergartenleiterin das pädagogische Konzept an einem Beispiel. Es gehe darum, "unabhängig vom Geschlecht Stärken und Interessen zu fördern und das Selbstbewusstsein zu steigern" , heißt es in den Zielen der geschlechtssensiblen Pädagogik. "Nur so kann ein Mädchen später auch den Wunsch haben, Technikerin zu werden, oder ein Bub Säuglingspfleger" , glaubt Kugler.

Ein Herzenswunsch blieb Inge Kugler und ihren Kolleginnen bisher allerdings verwehrt: männliche Kollegen. Ein fehlendes Stück Gendergerechtigkeit vor Ort sozusagen. (Peter Mayr/DER STANDARD-Printausgabe, 17.8.2009)