Radfahren ist besonders für Menschen mit Übergewicht und Gelenksproblemen gut geeignet

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Darüber, dass die Erfindung des Rades der Menschheit unheimlich große Lasten von den Schultern nahm, muss kaum eingehender diskutiert werden: Dass jeder technische Fortschritt seither - auch - darauf basiert, dass der Mensch eben nicht alle Lasten selbst heben und tragen muss, ist auch klar. Doch in Sachen Breitensport, meint Roman Daucher, sei genau das eine Anmerkung wert. Denn, erklärt der Gesundheitscoach und Gründer der auf Betriebsfitness spezialisierten Plattform "Eurofitness-academy", "es gibt Menschen, denen Laufen oder auch Gehen schwerfällt. Etwa weil sie massives Übergewicht oder Gelenkprobleme haben."

Aber wenn das Körpergewicht statt auf Knochen und Gelenke auf Rädern laste, setzt der Trainer fort, "können auch diese Leute Sport betreiben - schmerz- und risikofrei und mit Erfolgserlebnissen. Darum ist Radfahren als Wiedereinstiegssport ideal." Freilich: Dass auch die sogenannten "No Impact"-Sportarten gerade bei Übergewicht oder anderen Handicaps erst nach einem Besuch beim Arzt ausgeübt werden sollten, kommt auch bei Daucher wie das Amen im Gebet.

Abgesehen davon, erklärt er, habe Radfahren aber all jene Vorteile, die auch die meisten anderen Ausdauersportarten mit sich brächten: Herz- und Kreislauf werden aktiviert und gestärkt. Der Stoffwechsel verbessert sich. Man beugt Osteoporose vor.

Glücklich strampeln

Die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol wird reduziert. Das Schlafverhalten verbessert sich. Und "man ist glücklicher. Es klingt banal, aber Bewegung im Freien macht glücklich. Es werden Glückshormone ausgeschüttet - ohne die Nebenwirkungen von Schokolade & Co".

Doch das freilich nur dann, wenn das Training systematisch, ohne irreale Zielsetzungen oder falschen Ehrgeiz angegangen wird. "Wer einfach nur Vollgas gibt", warnt der Sportmediziner und Leiter des Innsbrucker Instituts für Sport- und Alpinmedizin und Gesundheitstourismus, Wolfgang Schoberberger, "setzt sich zwei oder dreimal aufs Rad - und wird es dann wieder bleiben lassen: Was am Tag danach wehtut, macht keinen Spaß - und was keinen Spaß macht, damit hört man rasch wieder aus."

Und auch, wenn der Volksmund den Muskelkater oft für einen Indikator des gelungenen - also wirkungsvollen - Trainings hält, will und kann der Sportmediziner da nicht mit: Zu spüren, dass man sich bewegt hat, meint er, sei das Eine, "aber der Muskelkater ist eigentlich immer ein Warnzeichen. Er zeigt eine Überbelastung an - und die gilt es durch gezieltes Training zu vermeiden."

Dass dieses Vermeiden aber gerade beim Radfahren schwerfallen kann - etwa wenn man in einer landschaftlich ansprechenden, aber eben doch hügeligen Umgebung ständig überholt wird - weiß Schobersberger. Er kann aber trotzdem nur um Geduld bitten: "Hobbysportler allgemein, aber ganz besonders Mountainbiker, tendieren dazu, zu wenig auf ihr eigenen Leistungsgrenzen zu achten." Man müsse, betont der Mediziner, gar kein Anfänger sein, um die Belastung, die etwa ungewohnte Höhe für den Kreislauf darstellt, zu unterschätzen. "Viele Herztodesfälle im Sport wären so zu verhindern."

Auch darum plädiert er für langfristige Zielsetzungen und ein langsames Herantasten an ebendiese: "Klar sieht ein Bike-Event am Berg mit hunderten Startern spektakulär aus - aber wer lange nur zugesehen hat, muss sich darauf einstellen, dass es wohl mehr als ein halbes Jahr Training braucht, um da mitfahren zu können."

Leistungsspektren

Schließlich könne das Ziel ja nicht lauten, nach einem missglückten Rad-Alpinmarathon dort wieder ganz von vorn anzufangen, wo Josef Sykora sein Patienten hinsetzt: Auf die Ergometer der Abteilung für Herz-Kreislauf-Rehabilitation des Humanomedzentrums in Althofen nämlich. Sykora leitet dort die kardiologische Abteilung.

Doch weil Standradfahren unter präzisesten Kontroll- und Rahmenbedingungen nicht nur für Rehab-Patienten, sondern auch für Spitzensportler zum Pflichtprogramm gehört, hat Sykora eine interessante Beobachtung gemacht - und setzt sie mittlerweile gezielt ein: In Althofen nutzen Spitzensportler im "Altis-Zentrum für Sportmedizin" die gleiche Infrastruktur wie die Herzpatienten: "Wir haben erkannt, dass es die Motivation der Rehab-Patienten massiv steigert, wenn sie Seite an Seite mit Spitzensportlern trainieren", erzählt Sykora. "Klar, die Sportler haben andere Programme - aber unsere Patienten sehen: Die machen das gleiche. Die schwitzen auch - und das führt sie zum Erfolg." Wissenschaftlich evaluiert, räumt er Arzt ein, sei das zwar noch nicht, "aber wir spüren, dass es den Leuten guttut. Schon weil es die Bunkerstimmung einer Rehab-Klinik aufweicht, wen man darüber redet, neben einem Thomas Morgenstern trainiert zu haben."

Und die Motivation, sagt der Arzt, sei auch nach dem Aufenthalt in der Klinik das Um und Auf: "Wir geben den Patienten ja präzise Trainingspläne mit. Trainingspläne sind wie Rezepte. Aber nur wenn die Menschen motiviert sind, dann halten sie sich auch daran. Das müssen sie selbst tun. Aber das funktioniert nur, wenn sie motiviert sind - weil sie den Sinn darin erkennen." (Thomas Rottenberg, DER STANDARD, Printausgabe, 17.08.2009)