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Nur keine Panik? ORF-Chef Alexander Wrabetz hat die erste Halbzeit hinter sich gebracht. Ausgestanden ist die Krise längst nicht.

Foto: APA/Gindl

Der tiefe Fall der ORF-Marktanteile.

Grafik: DER STANDARD

Depressionen könnte ein ORF-General bekommen, wenn er zum ersten Kaffee auf dem Küniglberg noch die Quoten begutachtet. Die vom 1. August 2009 etwa: 30,2 Prozent Marktanteil in Kabel- und Sat-Haushalten. ORF 1 verfolgten nur noch 6,9 Prozent aller TV-Zuschauer. Sat.1 hängte den ersten ORF-Kanal mit 8,3 Prozent ab.

Am 3. Mai 2006 fragte SPÖ-Klubchef Josef Cap die ORF-Führung unter Monika Lindner: "Welchen Plan hat sie, um diese Besorgnis erregende Entwicklung zu stoppen?" Im April 2006 war der ORF-Marktanteil auf 41,6 Prozent gesunken.

Am 17. August 2006, Montag vor drei Jahren, wählte Caps SPÖ zusammen mit Grünen, BZÖ, FPÖ und Unabhängigen den roten Finanzdirektor des ORF, Alexander Wrabetz, zum General. Im Juli 2009 schaffte der ORF noch 34 Prozent Marktanteil. Der schlechteste - elektronisch gemessene - Monat in der Geschichte des ORF.

Alexander Wrabetz dürfte das nicht mehr über Gebühr deprimieren. Die erste Halbzeit seiner - regulär - fünf Jahre als ORF-Chef konnte er sich an immer neue schlechteste Monatsmarktanteile gewöhnen.

Bacher: Wrabetz "größte Katastrophenfigur in der Geschichte des ORF"

Die neue Führung müsse die finanzielle Misere wegen sinkender Quoten in den Griff bekommen, ließ Cap an Wrabetz' Wahltag verlauten: "Ich bin überzeugt, dass Wrabetz das mit seiner Führungsmannschaft schaffen kann." Drei Jahre danach sieht der rote Wrabetz wegen tiefroter Ergebnisse schwarz wie noch nie ein ORF-General. Seine "größte Programmreform aller Zeiten" und der von Wrabetz mitverantwortete, rasche Umstieg auf Digital-TV sind daran schuld. Ebenso die von Wrabetz zumindest fortgeführte ORF-Tradition roter operativer Zahlen, ausgeglichen von hohen Finanzergebnissen. Die 2008 mit der Finanzkrise wegbrachen und dem ORF als Konzern 80 Millionen Euro Minus bescherten, heuer sind 40 bis 60 zu befürchten, und das Eigenkapital schwindet bedrohlich.

Nicht nur der frühere Langzeitgeneral Gerd Bacher spricht von Wrabetz als "größter Katastrophenfigur in der Geschichte des ORF". Auch andere Exgeneräle sprechen von drohender "Katastrophe", "Implosion" des ORF.

Tatkräftig half die Politik dabei, vor allem der Kanzler und der Medienstaatssekretär. Sie demontierten den ORF-Chef öffentlich über Monate (Story unten rechts). Und taten nach öffentlichem Gegenwind vorerst, als wäre nichts gewesen. ORF-Chef Wrabetz sieht schon als Erfolg, dass er den Job nach solchen Angriffen aus dem eigenen Lager noch hat, sagen Menschen in seiner Umgebung. Der Küniglberg macht bescheiden in diesen Tagen. Kanzler Werner Faymann hingegen überraschte zuletzt mit Mitleid für den General. Der müsse für jede Maßnahme erst 35 Stiftungsräte überzeugen. Es war der Stiftungsrat, der ORF-Chef Alexander Wrabetz am 2. April einstimmig (ohne Betriebsräte) aufforderte, sofort mit harten Sparmaßnahmen zu beginnen und 2010 ein ausgeglichenes Ergebnis zu bringen.

Stimmung grimmig

Mit ihren Angriffen verzögerte die Politik Sparmaßnahmen im ORF: Warum sollte der Betriebsrat einem General mit Ablaufdatum Zugeständnisse machen? Freitagnachmittag fuhr Betriebsratschef Gerhard Moser wieder einmal zu einer der "zähen" Verhandlungen auf den Küniglberg. Vor Ende September werde wohl nicht klar, ob man sich auf ein Paket einige. Die Stimmung in den Redaktionen ist schon jetzt grimmig.

Bis Ende August läuft die Nachfrist für vorzeitige Pensionierungen, Golden Handshakes. 190 waren geplant, mehr als 100 sollen schon fix sein, 120 bis 125 könnten es werden. Offenbar gehen teure Mitarbeiter: Das dafür geplante Sparvolumen dürfte erreicht werden, heißt es intern. Unter ihnen viele Kapazunder, Leistungsträger, beklagt ein Direktor. Die anderen sitzen bei 100 Prozent ihrer Bezüge ihre letzten Jahre im ORF ab.

Selbst wenn ORF-Chef Wrabetz seine Mannschaft wechseln will, braucht er dafür eine - fragliche - Mehrheit im Stiftungsrat. Drei der sechs ORF-Direktoren hätten ihr Pensionsalter erreicht. Aber ihre Verträge laufen regulär bis Ende 2011. Darunter Elmar Oberhauser und Wolfgang Lorenz. Sie sind für das TV-Programm zuständig.(Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgbe, 14./15./16.8.2009)