Wie Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) kann auch Gilbert Reibnegger, Vizerektor der Meduni Graz, der Forderung von VP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger nach Frauenquoten nichts abgewinnen. "Würden wir damit einmal beginnen, müssten wir – überspitzt gesagt – irgendwann einmal auch eine Quote für Blonde oder Braunhaarige einführen", sagt er im Gespräch mit derStandard.at. Geschlechterdifferenten beim Auswahlverfahren für das Human- und Zahnmedizinstudium an der Uni Graz seien stark beeinflusst vom Zeitabstand zur Matura, sagt Reibnegger. Das zeigt auch eine Auswertung der Ergebnisse der Auswahlverfahren 2008 und 2009. Heuer erhielten von 1126 Kandidaten in Graz 365 einen Studienplatz. 57,9 Prozent der Bewerber waren Frauen, einen Studienplatz erhielten aber nur 46,3 Prozent Frauen.

Der zeitliche Abstand zwischen der Matura und dem Antreten zum Auswahlverfahren spiele eine entscheidende Rolle, heißt es. Unmittelbar nach der Matura antretende Frauen erreichten in beiden Jahren nur knapp über 80 Prozent des Punktemittelwerts, ein Jahr nach der Matura aber zwischen 110 Prozent und 115 Prozent. Männer erzielten unmittelbar nach der Matura einen Wert von knapp unter 100 Prozent und knapp über 105 Prozent. Sie steigerten sich bei Antritt ein Jahr nach der Reifeprüfung auf etwa 115 Prozent bis 120 Prozent. Der Leistungsunterschied zwischen Männern und Frauen unmittelbar nach der Matura sei statistisch signifikant, der Unterschied zwischen den Geschlechtern beim Antritt ein Jahr nach der Matura ist statistisch nicht signifikant, also ein rein zufälliges Ergebnis, ergab die Analyse.

Erfolgsrate ebenfalls vom Abstand abhängig

Dieselben Verhältnisse finde man bei der Erfolgsrate: Bei einem Antritt unmittelbar nach der Matura sei ein signifikant schlechterer Wert bei Frauen gegenüber Männern zu verzeichnen; bei den Kandidatinnen und Kandidaten, die ein Jahr nach der Matura antraten, sei kein signifikanter Unterschied zwischen den Geschlechtern zu beobachten. Zusätzlich müsse berücksichtigt werden, dass bei den unmittelbar nach der Matura antretenden Bewerberinnen und Bewerbern der Frauenanteil sehr stark überwiege, da viele der Männer Präsenz- oder Zivildienst ableisten. Bei jener Gruppe, die ein Jahr nach der Matura zum Kenntnistest antrete, sei  das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ziemlich ausgeglichen – und hier gebe es auch keine Unterschiede in der Leistung mehr.

"Wir führen das darauf zurück, dass unser Kenntnistest auch die Lernfähigkeit und die Lernbereitschaft mit erfasst und hierdurch Personen, denen bestimmte Fächer in der Naturwissenschaft weniger liegen, durch entsprechende Vorbereitung nachziehen können“, so Gilbert Reibnegger, Vizerektor für Studium und Lehre. In den Fächern Mathematik, Physik und Chemie seien die Männer federführend, während bei Biologie und beim Textverständnisteil überhaupt kein Unterschied zwischen den Leistungen von Männern und Frauen zu finden sei, auch nicht bei einem Antritt unmittelbar nach der Matura.

"Um die Testbasis über naturwissenschaftliche Inhalte hinaus zu verbreitern, entwickeln wir derzeit auch ein Testmodul zur sozialen Kompetenz nach Art eines Situational Judgement Tests", erläutert Vizerektor Reibnegger. Dabei werden bestimmte Alltagssituationen vorgestellt, und die Bewerberinnen und Bewerber müssen auf diesen Situationen basierende Fragen beantworten. Ein ähnliches Modell wird – in Kombination mit einem Kenntnistest – derzeit in Belgien verwendet. Die Testfragen sind ein streng gehütetes Geheimnis: "Die Produktion von guten Fragen ist aufwändig. Würden wir sie aus der Hand geben, müssten wir sie jedes Jahr aufs Neue entwickeln. (Die Fragen sind nicht jedes Jahr die Gleichen, Anm.) Das würde dazu führen, dass sie immer skurriler werden", sagt Reibnegger.

ÖH will gar keine Tests

Gegen Aufnahmetests generell sprach sich die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) aus. "Die Aufnahmetests beweisen nur eines: dass es keine gerechten Zugangsbeschränkungen gibt", so ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer. Statt Auswahlverfahren müsse es "zu einem massiven Ausbau von Studienplätzen sowie erweiterter Beratung vor der Studienwahl kommen". (Marijana Miljkovic, derStandard.at, 13. August 2009)