Revuegirl und Schauspielerin Rita Gerog um 1930.

Foto: Wienmuseum

Wien - Die Ausstellung ist zwar noch nicht fertig, dass sie "wahrscheinlich zu groß" wird, weiß Wolfgang Kos allerdings schon jetzt. "Ich glaube, man muss sie zwei Mal besuchen, um alles gesehen zu haben", sagt der Direktor des Wien Museums. Ein "Anreizsystem" mittels mehrtägig gültiger Eintrittskarte sei deshalb auch bereits in Arbeit.

Seit zwei Jahren arbeitet ein 15-köpfiges Wissenschafterteam an der Schau "Kampf um die Stadt. Politik, Kunst und Alltag um 1930", die Mitte November im Wiener Künstlerhaus eröffnen soll. Laut Museumsleitung handelt es sich dabei um das ehrgeizigste Projekt in der Geschichte des Hauses. Schließlich will man nicht nur die zentralen politischen Ereignisse dieser Zeit anreißen, sondern den Blick aufs große Ganze lenken. Neben historischen Fotos und Gemälden spielen dabei Alltagsgegenstände - etwa Leuchtreklamen, die erste Zapfsäule oder das erste Säuglingswäschepaket der Stadt Wien aus dem Jahr 1927 - eine Rolle. "Vieles, was heute selbstverständlich ist, ist in dieser Zeit entstanden", sagt Kos.

Wien wurde damals zum eigenen Bundesland - und war somit berechtigt, Sondersteuern einzuheben, die etwa die Errichtung von Gemeindebauten möglich machten. Auch die zentrale Müllabfuhr wurde in dieser Zeit eingeführt. Trotz sozialpolitischer Errungenschaften blieb Wien dennoch ein unruhiges Pflaster. Neben den politischen Konflikte innerhalb der Stadtgrenzen zwischen Schutzbund, Heimwehr und Nationalsozialisten ist auch das schwierige Verhältnis Wiens zum Rest von Österreich ein zentrales Thema der Schau. "Wien war damals zwar nicht Berlin, aber im Vergleich zum Rest des Landes New York", sagt Kos.

Während sich der "Wasserkopf Wien" zum Experimentierfeld der absolut regierenden Sozialisten wurde - und sich ein neuer Unterhaltungzweig mit Revushows, Kinos und Tanzpalästen etablierte - blieb der Rest der Alpenrepublik katholisch-reaktionär geprägt. "Wir versuchen mit dieser Ausstellung, von den staatspolitischen Jahreszahlen wegzukommen - und hoffen, es wird nicht nur um die Frage, ob der Begriff Austrofaschismus vorkommt, gehen", sagt Kos. Die zwei Millionen teure Ausstellung sieht er auch als Chance, "im 20. Jahrhundert anzukommen". Die Dauerausstellung des städtischen Museums endet nämlich aus Platzgründen kurz davor. (Martina Stemme/Der Standard, Printausgabe 13.08.2009)