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Kriegsveteranen protestierten im Juni in Sarajewo gegen die geplanten Kürzungen ihrer Pensionen, zu denen der IWF im Zuge der Kreditvergabe riet. Sie halten ein Bild von Ex-Präsident Alija Izetbegovic.

Foto: Reuters

In Bosnien-Herzegowina und Serbien fürchten sich die Menschen vor Kürzungen von Sozialleistungen. Kriegsveteranen protestieren. Der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert Sparpakete im Gegenzug zu den Milliardenkrediten. 

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Mujo Porobić ist Kriegsveteran. Nachdem die bosnische Regierung nun die Datenbanken über die Invaliden durchforsten ließ, bekam Porobić am 10. Juli ein neues ärztliches Gutachten. Demnach wurden ihm gleich 40 Prozent seiner Invalidität aberkannt, obwohl das vorletzte Gutachten erst ein halbes Jahr zurücklag. Mit 50 Prozent Invalidität bleiben etwa noch 50 Euro im Monat.

Kriegsveteranen und hinterbliebene Familien gefallener Soldaten bekommen das Abkommen zwischen dem Internationalen Währungsfond (IWF) und der Regierung Bosnien-Herzegowinas am härtesten zu spüren. Der IWF zahlt 1,1 Milliarden Euro. Die Regierung in der Föderation Bosnien-Herzegowina soll 207 Mio. Euro einsparen. Dafür ist eine zehnprozentige Kürzung der Entschädigungen für die Veteranen des Kroatischen Verteidigungsrats (HVO) vorgesehen, einem Teil der Veteranen der bosnischen Armee soll die Invaliditätspension sogar komplett gestrichen werden.

Einzige Hoffnung vor dem Bankrott

"Damit treibt die Regierung nur einen Keil zwischen uns" , sagt der Vorsitzende der Union der Kriegsveteranen, Safet Redžić. Die kroatischen und bosniakischen Vertreter der Veteranen wollen sich diesen Donnerstag zusammensetzen, um gemeinsam Kürzungen zu verhindern. "Wir sind es leid, dass ständig mit dem Finger auf uns gezeigt wird und wir beschuldigt werden, dass 20 Prozent von uns gar keine Invaliden sind", so Redžić zum STANDARD.

Die Veteranen verlangen nun, dass die Regierung mit ihnen gemeinsam die Datenbanken überarbeitet: "Wir würden diese Revision als endgültig ansehen und die Resultate akzeptieren" , so Redžić. Kürzungen aber seien ungerecht, weil sie jene betreffen, die Familienangehörige oder "Teile ihres Körpers" für dieses Land geopfert hätten. "Sie nehmen uns den letzten Bissen Brot aus dem Mund, und das werden wir nicht zulassen" bleibt er entschlossen.

Lange hatten die Politiker behauptet, dass die Wirtschaftskrise Bosnien umgehen werde und keine Maßnahmen ergriffen würden. Als sie endlich aufwachten, wurde das IWF-Abkommen zur einzigen Hoffnung für die Rettung vor dem Staatsbankrott. Experten zufolge wäre der Landesteil Föderation Bosnien-Herzegowina aber auch ohne die Krise pleitegegangen.

Freunde oder Bösewichte

In Serbien sind die Experten des IWF für die einen Freunde in der Not, für die anderen westliche Bösewichte, die das Land in einen Kolonialstaat verwandeln wollen. Sicher sei, schrieb ein serbischer Journalist, dass in einem Land, in dem der IWF zum Stammtischthema wird, etwas faul sei. Die Familie Ilić spürt das täglich. "Man kann sich für sein Geld immer weniger leisten, viele Leute kommen kaum noch über die Runden" , sagt der pensionierte Offizier Radoslav Ilić (67). Jetzt wolle der IWF der Regierung auch noch anordnen, die Pensionen zu reduzieren. "Vor lauter Zahlen und Statistik sehen sie die Menschen nicht mehr" , meckert Radoslav. "Sollen die doch einmal mit meiner Pension zum Bauernmarkt in Belgrad gehen."

Radoslavs Tochter Vesna (40) ist Ärztin und alleinerziehende Mutter. Ihre größte Sorge ist, ob sie von ihrem Gehalt den Wohnkredit bezahlen kann. Zu Jahresbeginn verdiente sie noch rund 700 Euro, nach der Abwertung des Dinars bekommt sie nun knapp 500 Euro. Die Kreditraten sind dabei an den Euro gebunden. Für Vesna ist der IWF ein "notwendiges Übel" , ohne das es zum Zusammenbruch des serbischen Finanzsystems käme.

Angst vor Unruhen

Eine erste Rate über 788 Millionen hat Serbien vom IWF schon bekommen. Weiteres Geld folgt nur, wenn der Sparplan eingehalten wird. Bereits jetzt ist aber klar, dass das Haushaltsdefizit nicht drei, sondern fünf Prozent betragen wird. Das Loch will die Regierung durch neue Kredite - von der EU, von der Weltbank, aber auch von Russland - stopfen.

Experten warnen davor, dass die Verschuldung schon bald bis zu 70 bis 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen könn-te. Notenbankgouverneur Rado-van Jelasić kritisierte die Regierung, weil sie sich aus Angst vor sozialen Unruhen im Land vor unpopulären Maßnahmen drücken könnte. (Maida Hasecic aus Sarajewo, Andrej Ivanji aus Belgrad, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.8.2009)