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Im Fotoalbum der Politik ist die Exekutive gern gesehen. Manche Politiker stellen sich dafür bedingungslos hinter die Polizei.

Fotos: APA, Newald. NÖ Landesregierung, SID NÖ. Collage: Friesenbichler

Wenn Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (VP) die Polizei spontan verteidigt, steht er mit seiner Meinung sicher nicht alleine. Aber sind die Österreicher nun ein Volk, das unhinterfragt jede Polizeiaktion gutheißt? Blickt man in Boulevardmedien, muss man diesen Eindruck gewinnen (siehe Artikel unten). Umfragen zeichnen ein leicht anderes Bild. 1000 befragte Österreicher reihten im vergangenen Herbst Polizisten auf den 7. von 20 Plätzen, als es darum ging, für eine Readers-Digest-Umfrage die vertrauenswürdigsten Berufe aufzuzählen.

Mit 74 Prozent Zustimmung liegen sie aber nur am Ende des ersten Drittels, selbst Landwirte sind mit 83 Prozent vor ihnen. Mit 97 Prozent unangefochten an der Spitze: Feuerwehrleute und Piloten, Journalisten liegen mit 24 Prozent auf Rang 14.

Im Frühjahr 2008 untersuchte auch das Eurobarometer, eine Umfrageserie der EU, wie sehr die Bevölkerung in Europa ihren Ordnungshütern vertraut. In 30 Ländern (den EU-27 plus Kroatien, Mazedonien und der Türkei) wurde befragt. 69 Prozent der Österreicher sagten damals, sie würden der Polizei eher vertrauen, 24 von 100 waren eher misstrauisch. Damit liegt das Land zwar vertrauensmäßig über dem EU-Schnitt, zehn der 30 Staaten haben aber noch mehr Vertrauen.

Für Arno Pilgram vom Institut für Kriminalsoziologie der Universität Wien ist es "schon auffällig, dass die mediale Kritik an der Polizei bei den Vorfällen in Krems unverhältnismäßig leise bleibt". Ob damit der Publikumsgeschmack getroffen werde oder dieser erst durch die Berichterstattung entstehe, wagt der Wissenschafter nicht zu beurteilen.

Das habe aber auch Rückwirkungen auf die Exekutive selbst. "Es ist sicher nicht so, dass wir eine rabiate Polizei haben. Gerade deshalb ist es verwunderlich, dass offenbar so eine geringe Bereitschaft in der Behörde herrscht, sich offen selbstkritisch zu äußern."

Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt. In Großbritannien gibt es seit dem 1. April 2004 die "Unabhängige Kommission für Polizeibeschwerden". Die wird zwar vom britischen Innenministerium finanziert, kann aber komplett eigenständig in jeder Beschwerde ermitteln, die gegen die Polizei erhoben wird. Die Exekutive wiederum ist verpflichtet, jede Beschwerde an die Kommission weiterzuleiten.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Polizei großteils korrekt arbeitet. Von 48.280 Anschuldigungen gegen Beamte im Jahr 2007/08 führten 257 zu Sanktionen gegen Polizisten, bis hin zur Entlassung. Interessant dabei: weitere 1592 Sanktionen wurden ohne öffentliche Anschuldigungen verhängt.

Die meisten Anschuldigungen erweisen sich also als haltlos. Was ein logischer Mitgrund sein kann, warum sich die Bevölkerung mehrheitlich oft reflexartig aufseiten der Polizei stellt. Andererseits gibt es auch Beispiele, wo das Misstrauen gerechtfertigt war: Der Fall Cheibane Wague in Österreich, der zu Tode "fixiert" wurde, der Fall Bakary J., der in einer Halle von Polizisten schwer misshandelt wurde, der vom Gericht geahndete Tod eines unschuldigen Motorradfahrers bei einer Polizeikontrolle mit Schussabgabe.

"Es gibt sicher eine Krisenstimmung. Kriminalität steigt, die Wirtschaft schrumpft. Da kommt es zu einem Schulterschluss der ,ordentlichen Kräfte', und ein Krimineller ist einfacher als ,Böser' zu identifizieren und zu fangen als ein anonymer Börsenmakler", meint Kriminalsoziologe Pilgram.

Singulär sei der Schulterschluss mit der Exekutive nicht, weiß Harald Seyerl, Leiter des Wiener Kriminalmuseums. "Das kommt in allen Perioden und Regimen vor." In der Monarchie etwa seien Streifenpolizisten höchst angesehen gewesen. Sie standen zwar auf der untersten Beamtenstufe, "waren aber jemand aus dem Viertel, der Sohn des Hausmeisters zum Beispiel".

Selbst nach dem Brand des Justizpalastes 1927 sei die Mehrheit der Bevölkerung hinter der Polizei gestanden, sagt Seyerl. Die 89 toten Demonstranten hätten damals aber ein Umdenken bewirkt. "Ein Jahr später wurde die speziell ausgebildete Alarmabteilung gegründet, die bei schwierigen Situationen einschreiten sollte." (Michael Möseneder/DER STANDARD-Printausgabe, 11.8.2009)