"Gleiches Recht für den Polizisten: Unschuldig, solange seine Schuld nicht bewiesen ist."

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"Schluss mit Hatz auf Polizisten!", fordert die "Krone". Nur die kleinere Zeile darüber verrät: Den Schlagzeilenwunsch des Kleinformats steuerte Landeshauptmann Erwin Pröll bei.

"Dramatisch peinlich" findet Heute-Chefredakteur Richard Schmitt, dass "sämtliche ORF-Sender für einen 14-jährigen Kriminellen" Partei ergriffen, "der - tragischerweise - in Krems bei einem Verbrechen von einem Polizisten erschossen wird".

Warum stellen sich Massenblätter reflexartig hinter die Polizei? Schmitt weist das für Heute zurück: "Die Redaktion steht sicher nie 'reflexartig' hinter der Exekutive - siehe etwa die sehr kritische Berichterstattung über die vielen Pannen bei den Kampusch-Ermittlungen." Aber: "Für den Polizisten sollte das gleiche Recht gelten wie für jeden anderen Staatsbürger: Dass er als unschuldig gilt, solange seine Schuld nicht bewiesen ist." Das Prinzip hält der Boulevard nicht immer hoch.

Chronikressorts leben von Polizei-Infos

Schmitt findet, der ORF und andere Medien räumten Angehörigen und Freunden der "eindeutig am Tatort gestellten und überführten Kriminellen mehr Raum zur Darstellung ihrer - logisch subjektiven, überaus emotionalen - Sicht ein, als harte Fakten zu bringen." Stimmung gegen die Polizei zu machen, gelte manchen Redaktionen offenbar als "chic". Im Kampf gegen "ausufernde Kriminalität" sei deren Darstellung "nicht hilfreich". Nachsatz: Aber natürlich sei "dieser Fall in Krems lückenlos aufzuklären".

News-Chefredakteur Atha Athanasiadis war lange Chronikjournalist. Er sieht zwei "ziemlich pragmatische Gründe" für das Verhältnis von Boulevard und Polizei: "Tageszeitungen, und da vor allem die Chronikressorts, leben von Polizei-Infos. Und keiner verbrennt gerne seine Quellen." Und: "Viele Kollegen gehen davon aus, dass der Großteil der Bevölkerung aufseiten der Exekutive steht. Vor allem dann, wenn es gegen Ausländer oder soziale Außenseiter geht."

Claus Pandí, heute Politikautor der "Krone", war dort lange Chronik-Chef. Er erklärt das Phänomen grundsätzlicher: "Die Mehrheit hat ein Bedürfnis nach Ordnung." Ein Massenblatt wäre schlecht beraten, gegen diesen zutiefst österreichischen Wunsch anzuschreiben. (Harald Fidler, DER STANDARD; Printausgabe, 11.8.2009)