Die neue Festspielleiterin Katharina Wagner drückt den Richard-Wagner-Festspielen zunehmend ihren Stempel auf. Zwei Wochen nach der Premiere ihres Projekts "Wagner für Kinder" setzte die 31-Jährige Urenkelin Richard Wagners mit der Live-Übertragung der Oper "Tristan und Isolde" ein weiteres Zeichen. Kein Jahre langes Warten auf Karten, keine Kleiderordnung. Public Viewing macht Wagner zum Massenerlebnis, ungezwungen und locker.

Insgesamt 40.000 Menschen verfolgten am Sonntag die mehr als sechsstündige Übertragung vom "Grünen Hügel" auf den grauen Volksfestplatz. Im Schnitt waren bei der Siemens Festspielnacht rund 20.000 Menschen auf dem Platz. Tausende verharren auch nach dem Schluss, warten auf die Solisten und feiern sie begeistert. "Tristan"-Dirigent Peter Schneider macht dem Publikum ein Kompliment. "Diese schwer zu konsumierende Oper durchzuhalten, das ist wirklich große Klasse."

Anfangs sind die Veranstalter skeptisch, ob sich der Erfolg der "Meistersinger"-Übertragung aus dem Vorjahr mit dem eher statischen Liebesdrama "Tristan und Isolde" wiederholen lässt. Viele wollen auch nur kurz die beeindruckende Atmosphäre schnuppern. Vor der 90 Quadratmeter großen LED-Wand aber bildet sich schnell eine echte Fangemeinde heraus, die gebannt die hautnahen Bilder verfolgt und konzentriert der Musik aus 20 Lautsprechern lauscht.

Das Festspielhaus bietet den Besuchern ausschließlich die Totale. Mit den sieben ferngesteuerten Kameras fühlen sich die Betrachter beim Public Viewing mitten auf die Bühne versetzt. "Sie sind viel unmittelbarer an den Sängern und der Inszenierung, sehen viel mehr Details", zieht Siemens-Kommunikationschef Stephan Heimbach Bilanz. Auch Katharina Wagner ist beeindruckt von der "absolut hervorragenden Atmosphäre" und dem tollen Raumklang.

Richtig zur Geltung kommen die gestochen scharfen Bilder aber erst mit Einbruch der Dämmerung im letzten Aufzug. Gegen das Tageslicht kommt auch die beste Technik nur bedingt an. Auf große Zustimmung stoßen die erstmals eingeblendeten Untertitel, die den Text und die Handlung für das zumindest teilweise Wagner-unerfahrene Publikum verständlicher machen.

40 Minuten nach Ende der Übertragung treffen auch die Künstler auf dem Volksfestplatz ein und holen sich ihren verdienten Applaus ab. Die Wartezeit überbrücken Moderator Axel Brüggemann und Katharina Wagner mit der Ziehung der Gewinner aus einem "Tristan"-Quiz. Zu gewinnen gibt es die neu gestalteten Programmhefte, handsignierte Exemplare des Buches "Bayreuth Backstage", diverse Devotionalien und einen Besuch bei Katharina Wagner im Festspielhaus. Auch die brandneue DVD der Kinderoper "Der fliegende Holländer" wird verlost. Das alles sind Symbole für die von Katharina Wagner propagierte Öffnung der Festspiele für Jedermann.

Etwas hinter den Erwartungen zurück blieb die qualitativ hochwertige Übertragung im Internet. Live dabei waren nach Siemens- Angaben nur gut 1.000 Menschen aus 40 Ländern, darunter Mali, Taiwan, Indien, Peru und Kolumbien. Allerdings steht die Aufzeichnung der Aufführung den Wagner-Fans in aller Welt noch 14 Tage zur Verfügung. Wie die "Meistersinger" im Vorjahr, wird die Oper "Tristan und Isolde" im Herbst auch auf DVD erscheinen. (APA/dpa)