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Clotilde Reiss ist das internationale Gesicht der Proteste. Zwei Mitarbeiter von europäischen Botschaften sind ebenfalls angeklagt, die Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad kritisiert und Proteste angeheizt zu haben: der Iraner Hussein Rassam, Chefanalyst in der britischen Botschaft und ein französischer Botschaftsangehöriger.

"Jede Handlung gegen einen Mitgliedsstaat, einen Bürger oder Botschaftsmitarbeiter wird als Handlung gegen die gesamte EU betrachtet", erklärte die EU-Ratspräsidentschaft am Sonntag.

Foto: REUTERS/Fars News

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Rund einhundert Männer und Frauen müssen sich derzeit in Teheran vor dem Revolutionsgericht dafür verantworten, die Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad kritisiert und Proteste angeheizt zu haben.

Foto: AP/Fars News Agency, Ali Rafiee

Die französische Sprachlehrerin Clotilde Reiss (24) ist nicht die einzige Ausländerin, der nun im Iran der Prozess gemacht wird, aber die medientauglichste: Jung, weiblich, intellektuell, westlich, hübsch. Die perfekte Figur für das Regime, das glauben machen möchte, die Proteste meist Jugendlicher sind aus dem Ausland gesteuert. Und die perfekte Figur, um der internationalen Gemeinschaft eine kleine Warnung vor ungewünschter Einmischung zu senden.

Rund einhundert Männer und Frauen müssen sich derzeit in Teheran vor dem Revolutionsgericht dafür verantworten, die Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad kritisiert und Proteste angeheizt zu haben. Darunter eben Clotilde Reiss sowie Mitarbeiter der französischen und der britischen Botschaft in Teheran.

Das Fotomaterial von Reiss´ Aussage vor Gericht wurde am Samstag von den iranischen Behörden veröffentlicht. Blass und apathisch steht die junge Frau am Pult. Sie gestand laut der französischen Tageszeitung Le Monde, dass sie einen einseitigen Bericht über die iranische Atompolitik für das im Iran ansässige französische Institut Ifri verfasst habe. Angeklagt ist sie wegen Spionage, ein Tatbestand, auf den im Iran unter Umständen die Todestrafe steht.

Verhaftung vor Ausreise

Seit 1. Juli, dem Tag an dem sie am Teheraner Flughaften verhaftet wurden, sitzen Reiss und ein Landsmann der franzöischen Botschaft in Haft. Dort legten sie umfangreiche Geständnisse ab und baten um Gnade. Fünf Monate lang hatte Reiss zuvor schon an der Universität Isafahan als Lektorin für Französisch gearbeitet. An diesem 1. Juli wollter sie den Iran verlassen und nach einem Zwischenstopp bei Freunden in Pakisten wieder nach Frankreich zurückkehren. Sie spricht fließend Farsi, hat aber keine familäre Bindungen in den Iran. Ausschlaggebend für ihr Interesse am Iran soll ihre iranische Kinderfrau in Frankreich gewesen sein. Von ihr lernte sie bereits als Kind die Sprache. Laut dem Magazin "Spiegel" hat Reiss ihre Magisterarbeit über iranische Schulbücher geschrieben. Sie studierte in Lille Politikwissenschaften.

Der Vater der jungen Akademikerin, Rémi Reiss, sagte der französischen Nachrichtenagentur AFP, seine Tochter sei unschuldig. Clotildes Motivation sei die Kunst, die Kultur, sie habe Iran noch besser kennen lernen wollen: "Clotilde ist nicht militant oder politsch engagiert".

Reaktionen in Frankreich

Das freilich ist dem iranischen Regime einerlei. Die junge Frau lässt sich nach außen und innen wunderbar instrumentalisieren. Lange Zeit gab es keine Reaktion des öffentlichen Frankreichs. Erst am Sonntag, einen Tag nach der Veröffentlichung der Fotos, verlangte der französische Außenminister Bernard Kouchner die Freilassung der jungen Frau. Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy meldete sich am Freitag zu Wort: Sarkozy setze sich mehr als je zuvor bei all jenen ein, die zu einer schnellen Lösung und zur Befreiung der Französin beitragen könnten, erklärte am Montag das Präsidentschaftsamt. Der Präsident, der seit zehn Tagen in Südfrankreich im Urlaub ist, verfolge die Entwicklung des Falles "äußerst aufmerksam".

Die französische Tageszeitung L'Est Républicain bedauert das zögerliche Engagement Frankreichs im Falle Reiss: "Abgesehen von den Angehörigen der Gefangenen zaudert die Öffentlichkeit, sich für den Fall zu sensibilisieren und Druck zu machen, um ihrer absurden Gefangenschaft ein Ende zu setzen. Kann das Schweigen durch die Urlaubszeit erklärt werden? Oder fehlt eine starke Stimme, um Clotilde Reiss zu verteidigen?," fragt der Kommentator Michel Vagner.

Nur einmal durfte ein Vertreter der französischen Botschaft Reiss am Beginn ihrer Haft besuchen. Diese sei zu diesem Zeitpunkt "gesund und in guter geistiger Verfassung" gewesen. Laut Kouchner wurde sie "wahrscheinlich" zu dem Geständnis gedrängt. (mhe, red, derStandard.at, 10.08.2009)