Berlin - Die Union (CDU/CSU) in Deutschland wappnet sich einem Zeitungsbericht zufolge gegen einen Angriff der SPD auf ihre Fraktionsgemeinschaft im Deutschen Bundestag. Die CSU habe bereits bei einem renommierten Juristen ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Rechtmäßigkeit der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag feststellen solle, meldete die Tageszeitung "Die Welt" (Montagausgabe) sowie das Nachrichtenmagazin "Focus". Hintergrund seien Befürchtungen, dass die Sozialdemokraten nach der deutschen Bundestagswahl versuchen könnten, die Unionsfraktion auf juristischem Wege zu spalten.

Momentan stellt die Union mit 222 Mitgliedern die größte Fraktion, die SPD kommt auf 221 Abgeordnete. Seit sechs Jahrzehnten zählen die Stimmen der Fraktionsmitglieder von CDU und CSU gemeinsam. Die Mandatsmehrheit sichert der Union etwa den Anspruch auf das Amt des Kanzlers und des Bundestagspräsidenten. Ohne die CSU-Sitze würde die Unionsfraktion um 46 Abgeordnete schrumpfen. Die SPD wäre dann die stärkste Kraft im Deutschen Bundestag. Eine Aufspaltung der Union nach der Wahl am 27. September könnte demnach schwerwiegende Folgen für die Konservativen haben.

Unter Beobachtung

In SPD-Kreisen hieß es dem Bericht zufolge, die Unionsfraktion werde seit einiger Zeit beobachtet. So sprächen "einige Punkte" dagegen, dass CDU und CSU eine Fraktionsgemeinschaft bilden dürften. Dies solle gegebenenfalls nach der deutschen Bundestagswahl thematisiert werden.

"CDU und CSU sind zwar selbstständige Parteien, sie treten jedoch nicht als politische Konkurrenten gegeneinander an", sagte hingegen Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) der "Welt". Es sei daher rechtens, dass beide Parteien ihre politischen Grundüberzeugungen in einer Fraktionsgemeinschaft "bündelten". Immerhin praktizierten dies CDU und CSU schon seit 1949. Dass er und seine konservativen Abgeordnetenkollegen von der SPD permanent beobachtet würden, wertete Bosbach als "weiteren Beleg für die Verzweiflung der Sozialdemokraten" kurz vor der Wahl.

Laut "Focus" ist Fraktions-Justiziar Wolfgang Götzer für die Union mit der Sache befasst. Einen ähnlichen Vorstoß hatten die Sozialdemokraten bereits 2005 versucht. Die erforderliche Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages wurde vom Vorsitzenden Franz Müntefering jedoch verhindert.

Unterdessen kann Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier trotz aller Bemühungen mit seinem "Deutschland-Plan" bei den Wählern kaum punkten. Laut einer Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" halten 86 Prozent der Deutschen das Ziel von Vollbeschäftigung bis 2020 für unrealistisch. Nur 15 Prozent der Deutschen erwarten, dass er die Bundestagswahl in sieben Wochen gewinnen wird. Hingegen glauben 77 Prozent an einen Erfolg der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Immerhin: Steinmeier gewann gegenüber der Vorwoche zwei Prozentpunkte dazu, Merkel verlor fünf.

Die SPD geht dagegen nach Ansicht des Meinungsforschers Richard Hilmer vom Institut infratest-dimap keineswegs chancenlos in die Bundestagswahl. "Aufholen kann die SPD auf jeden Fall noch", sagte Hilmer dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montagausgabe). Bei den unentschlossenen Wählern sei "für die SPD mehr zu holen als für die Union". Er fügte hinzu: "Sollten in der Schlussphase des Wahlkampfs die Themen soziale Gerechtigkeit und Arbeitsmarkt eine zunehmend wichtige Rolle spielen, könnte davon die SPD profitieren."

Gleichwohl sei die Ausgangslage für die Union günstiger, unterstrich Hilmer. Sollte es bei dem derzeit klaren Vorsprung der CDU/CSU vor der SPD bleiben, sei mit zahlreichen Überhangmandaten zu rechnen. Die Union könnte dann deutlich mehr Direktmandate gewinnen als ihr an Sitzen aufgrund des Zweitstimmen-Ergebnisses zustünden. Es sei sogar möglich, dass Union plus FDP mit lediglich 46 Prozent der Zweitstimmen am Ende mehr Mandate bekämen als das Lager von Rot-Rot-Grün bei zusammengenommen 49 Prozent der Zweitstimmen. (APA/AP)