Islamabad - Nach dem mutmaßlichen Tod des pakistanischen Taliban-Führers Baitullah Mehsud ist unter seinen Gefolgsleuten nach Regierungsangaben ein Machtkampf ausgebrochen. Bei der Ratsversammlung zur Ernennung eines neuen Kommandanten sei einer der potenziellen Nachfolger womöglich durch Schüsse getötet worden, erklärte das Innenministerium. Pakistanische Nachrichtensender meldeten, der mächtige Taliban-Befehlshaber, Hakimullah Mehsud, sei bei den Nachfolge-Beratungen von seinem Rivalen Wali-ur-Rehman erschossen worden. Einem Bericht zufolge kamen sogar beide ums Leben.

Ein Taliban-Vertreter wies die Berichte dagegen zurück: Es sei bei der Versammlung in der Grenzregion zu Afghanistan zu keinen Kämpfen gekommen. Beide hochrangigen Taliban-Kämpfer seien wohlauf.

Nachfolge

Hakimullah Mehsud, der die Taliban-Kämpfer in den Regionen Orakzai, Kurram und Khyber befehligt, gilt als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge Baitullah Mehsuds. Er hatte zuvor noch in mehreren Interviews bestritten, dass der bisherige Anführer wie von der pakistanischen Regierung erklärt am Mittwoch bei einem Raketenangriff getötet wurde. Dieser gilt in Pakistan als Staatsfeind Nummer eins, weil er hinter zahlreichen Anschlägen vermutet wird. Experten zufolge dreht sich der Streit bei den Islamisten darum, ob die pakistanische Regierung das Hauptziel der Gewalt bleibt oder die Kräfte stärker im benachbarten Afghanistan eingesetzt werden sollen.

Unbestätigten Informationen zufolge kam Mehsud am Mittwoch bei einem US-Raketenangriff auf das Haus seines Schwiegervaters in Süd-Waziristan ums Leben. Der Angriff sei auf einen entscheidenden Hinweis aus Pakistan zurückgegangen, erklärten am Samstag zwei Mitarbeiter des pakistanischen Geheimdienstes. Beobachter gehen seit langem davon aus, dass Islamabad die amerikanischen Drohnenangriffe im Grenzgebiet zu Afghanistan trotz offizieller Kritik zumindest toleriert.

Der pakistanische Außenminister Shah Mehmood Qureshi hatte am Freitag erklärt, es sei "ziemlich sicher", dass Mehsud ums Lebens gekommen sei. Verschiedene Regierungsbehörden wie auch Mehsuds eigene Anhänger hätten dies berichtet. Zudem hätten Zeugen seiner Beerdigung beigewohnt oder diese beobachtet. Neben dem Taliban-Chef seien auch seine zweite Frau, ein Bruder und sieben Leibwächter getötet worden.

Washington geht vom Tod Mehsuds aus

Die USA gehen davon aus, dass Mehsud tatsächlich tot ist. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, sagte der Nationale Sicherheitsberater von Präsident Barack Obama, James Jones, am Sonntag. Offensichtlich sei in den oberen Rängen der Taliban bereits ein Machtkampf um Mehsuds Nachfolge entbrannt, sagte James dem Sender Fox News.

Westliche Länder mit Soldaten in Afghanistan dürften künftig aufmerksam beobachten, ob ein neuer Taliban-Anführer den Kampf gegen die pakistanische Regierung zurückfährt und sich stattdessen den afghanischen Aufständischen unter dem Extremisten-Chef Mullah Mohammed Omar im Kampf gegen die NATO- und US-geführten Truppen am Hindukusch anschließt. (APA/Reuters/AP)