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Die Französin Clotilde Reiss vor Gericht im Iran. Das Foto, auf dem weitere Angeklagte zu sehen sind, wurde von den iranischen Behörden veröffentlicht. Foto: AP

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Im Iran stehen dutzende Regimekritiker vor Gericht, angeklagt sind auch eine Französin und Mitarbeiter europäischer Botschaften. Die EU ist empört. Frankreichs Präsident Sarkozy fortert die  rasche FreilassungDie Revolutionsgarden fordern eine breitere Abrechnung mit der Opposition.

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Teheran - Ungeachtet internationaler Proteste sind im Iran eine Französin sowie zwei Mitarbeiter europäischer Botschaften vor Gericht gestellt worden. Das Gericht klagte sie iranischen Medienberichten zufolge an, die Proteste nach der Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadi-Nejad geschürt zu haben.

Die französische Staatsbürgerin und die Mitarbeiter der französischen und der britischen Botschaft in Teheran seien demnach Teil einer westlichen Verschwörung, deren Ziel der Sturz der islamischen Führung sei. Bei der zweiten Runde in dem Massenprozess innerhalb einer Woche wurden zudem erneut dutzende Regierungskritiker angeklagt. Die EU, Frankreich und Großbritannien verurteilten die Prozesse scharf.

"Jede Handlung gegen einen Mitgliedsstaat, einen Bürger oder Botschaftsmitarbeiter wird als Handlung gegen die gesamte EU betrachtet" , erklärte die schwedische EU-Ratspräsidentschaft. Dementsprechend werde die EU auch reagieren. Konkrete Schritte wurden bisher jedoch nicht genannt. Es handle sich offenbar um "einen Schauprozess gegen die EU" , sagte Schwedens Außenminister Carl Bildt. Der britische Außenminister David Miliband sprach von unbegründeten Vorwürfen. Einer der Angeklagten, der Iraner Hussein Rassam, Chefanalyst in der britischen Botschaft, habe lediglich seine beruflichen Pflichten erfüllt, betonte Miliband. Auch Frankreich wies die Vorwürfe gegen sein Personal mit Nachdruck zurück.

Staatschef Nicolas Sarkozy dringt auf eine rasche Freilassung der inhaftierten Universitätslektorin. Sarkozy setze sich mehr als je zuvor bei all jenen ein, die zu einer schnellen Lösung und zur Befreiung der Französin beitragen könnten, erklärte am Montag das Präsidentschaftsamt. Dass die 24-jährige Lektorin rasch freikomme, sei "sein wichtigstes Ziel" in dieser Angelegenheit. Der Präsident, der seit zehn Tagen in Südfrankreich im Urlaub ist, verfolge die Entwicklung des Falles "äußerst aufmerksam".

Teheran weist Kritik zurück

Die iranische Führung wies die EU-Kritik scharf zurück. Außenamtssprecher Hassan Ghashghavi sagte am Montag vor Reportern in Teheran, die Verfahren seien "interne juristische Angelegenheiten" des Iran und nicht Sache der EU. Namentlich kritisierte Ghashghavi den schwedischen Außenminister. "Diese Bemerkung, dass ein rechtmäßiger Prozess in einem Land gleichzeitig 27 andere Staaten herausfordert, spottet jeder juristischen Logik", sagte Ghashghavi.

Auch im Atomstreit schlug der Sprecher einen harten Ton an. "Wir sind nicht gegen Verhandlungen, aber wir erlauben den Weltmächten nicht, uns mit Fristen unter Druck zu setzen", sagte Ghashghavi. Auf dem G-8-Gipfel im Juli im italienischen L'Aquila hatten die westlichen Industriestaaten und Russland dem Iran eine Frist bis September gesetzt, um auf das Angebot zu neuen Gesprächen zu reagieren.

Französische Sprachlehrerin gefährte nationale Sicherheit

Der französischen Sprachlehrerin Clotilde Reiss (24) wurde laut Medienberichten vorgeworfen, die nationale Sicherheit gefährdet zu haben, indem sie sich an den Protesten beteiligte, Informationen darüber sammelte und Bilder der Unruhen ins Ausland versendete.

Reiss und der Mitarbeiter der britischen Botschaft legten den Berichten zufolge Geständnisse ab und baten um Gnade. Sie habe einen einseitigen Bericht über die Lage in Isfahan verfasst und diesen der Kulturabteilung der französischen Botschaft übergeben, wurde Reiss zitiert.

Der Mitarbeiter der britischen Botschaft sagte laut den Medienberichten aus, er sei von seinen Vorgesetzten zur Teilnahme an den Demos aufgefordert worden. Auch mehrere britische Diplomaten, darunter der Botschafter, seien auf die Demonstrationen gegangen.

Die iranische Revolutionsgarden forderten unterdessen Prozesse gegen die bei der umstrittenen Präsidentschaftswahl unterlegenen Kandidaten Mir-Hossein Mussavi und Mehdi Karrubi sowie gegen den Ex-Präsidenten Mohammed Khatami wegen ihrer Rolle bei den Protesten. Als "wichtigste Verdächtige" müssten sie festgenommen, vor Gericht gestellt und bestraft werden, zitierte die Nachrichtenagentur IRNA Yadollah Javani, einen hochrangigen Befehlshaber der Revolutionsgarden. (AP, Reuters, red/DER STANDARD, Printausgabe, 10.8.2009)