Zur Person

Rumiana Jeleva (40) studierte in Bulgarien und Deutschland Soziologie. Ab 2007 war sie für die Partei Gerb Abgeordnete im EU-Parlament. Jeleva ist verheiratet.

 Die neue bulgarische Außenministerin Rumiana Jeleva ist gegen ein Schnellverfahren für die Aufnahme Islands in die EU. Sie hoffe aber, dass der Vertrag von Lissabon die EU-Erweiterung vorantreibt, sagte sie zu Vessela Vladkova.

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STANDARD: Ist mit dem Machtwechsel in Bulgarien auch eine neue Außenpolitik zu erwarten?

Jeleva: Ich stehe für Kontinuität. Die EU- und Nato-Mitgliedschaft geben schon den Rahmen der bulgarischen Außenpolitik mehr oder weniger an. Aber selbst in diesem Rahmen besteht Nachholbedarf. Nach knapp drei Jahren in der EU muss Bulgarien aktiver und sichtbarer werden, insbesondere angesichts der bevorstehenden Reformen in der Union.

STANDARD: Welche Perspektive haben die Nachbarländer Bulgariens auf dem Westbalkan?

Jeleva: Die EU-Erweiterung ist für Bulgarien ein sehr wichtiges Thema, das natürlich vom Lissabonner Reformvertrag stark abhängig ist. Wir alle hoffen, dass der Vertrag bald von allen Mitgliedsländern ratifiziert werden kann. Denn er wird auch den Beitritt neuer Mitgliedsländer vorantreiben.

STANDARD: Wie stehen Sie zu einem EU-Beitritt der Türkei?

Jeleva: Bevor der EU-Reformvertrag in Kraft tritt, ist es unrealistisch, über eine konkrete Beitrittsperspektive zu sprechen. Nach dem Antrag Islands auf eine EU-Mitgliedschaft - eines demokratischen und marktwirtschaftlich entwickelten Landes, hatten wir die Gelegenheit, auf die Bedeutung der Westbalkanländer für die Sicherheit unserer Region hinzuweisen und zu betonen, dass ein Schnellverfahren im Fall Islands nicht angebracht wäre.

STANDARD: In Brüssel wird noch heute von einer "überstürzten" Aufnahme Bulgariens und Rumäniens gesprochen. Kann sich diese Erfahrung auf die Erweiterung in der Region negativ auswirken?

Jeleva: Bulgarien wurde mit Defiziten in zwei Bereichen aufgenommen - Justiz und Inneres. Der Beitritt erfolgte mit der ganz klaren Einsicht, dass Probleme bestehen, und deshalb wurde das Kooperations- und Kontrollverfahren eingeführt. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission sollen damit die Defizite überwunden werden. Nach meiner Einschätzung ist dieses Kooperations- und Kontrollverfahren erst in diesem Sommer, mit dem Fortschrittsbericht im Juli, inhaltlich sinnvoll geworden, denn er beinhaltet zum ersten Mal konkrete Schritte, die Bulgarien unternehmen muss. Aber aller Anfang ist schwer - Sie müssen bedenken, das Verfahren ist auch für die EU-Kommission neu. Ich werde dafür arbeiten, dass Bulgarien ein positives Beispiel für die EU-Kandidatenländer aus der Westbalkan-Region und dem Schwarzmeerraum wird. Bulgarien kann ihnen mit seiner Erfahrung aus dem Beitrittsprozess nützlich sein, die EU-Kandidatenländer können aber auch aus unseren Fehlern lernen.

STANDARD: Wie wollen Sie das Vertrauen der EU zurückgewinnen?

Jeleva: Wir sind fest entschlossen gegen die Korruption und das organisierte Verbrechen vorzugehen. Bulgarien braucht ein effektives Gerichtssystem und eine bessere Koordination unter den Behörden, denn darin sehe ich auch einen Teil des Problems. Ich gehe davon aus, dass wir noch im Herbst die ersten konkreten Fortschritte vorweisen können. (DER STANDARD, Printausgabe, 8./9.8.2009)