Beatrix Karl ist die erste Frau, die das ÖAAB-Generalsekretariat leitet. Von Frauenquoten hält die ÖVP-Politikerin aber nichts.

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Wien - Für Wirbel in der eigenen Partei hat die neue ÖAAB-Generalsekretärin Beatrix Karl bereits gesorgt. Ihre Forderung, die Mindestsicherung nicht nur zwölf-, sondern 14-mal auszuzahlen, stößt bei ÖVP-Chef und Finanzminister Josef Pröll auf Ablehnung. Er befürchtet, dass sonst der Abstand zu den Löhnen zu gering wird. Karl akzeptiert zwar die Entscheidung des Parteichefs, findet aber nach wie vor, "dass meine Forderung richtig war" , wie sie im Interview mit dem Standard sagt. Sie will nun die Diskussion über eine höhere Mindestsicherung nach der Wirtschaftskrise neuerlich führen.

Karl: "Der eigentliche Schluss, den man aus der geringen Differenz zu den Löhnen ziehen kann, ist aber: Die Löhne sind zu niedrig." Daher werde die Erarbeitung von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen einer der künftigen Schwerpunkte des ÖAAB sein.

Die Professorin für Arbeits- und Sozialrecht hat aber noch zahlreiche weitere Vorschläge in petto. Bei Sozialleistungen stört sie das "Alles-oder-nichts-Prinzip" . Gemeint ist: Man hat nur Anspruch auf eine Leistung, wenn man nicht über der Geringfügigkeitsgrenze (357,74 Euro) dazuverdient. "Sobald ich einen Cent drüber bin, fällt die gesamte Leistung weg." Das sei aber "leistungsfeindlich" . Karl: "Um einen stärkeren Leistungsanreiz zu setzen, könnte ich mir vorstellen, dass man Teilleistungen ausbezahlt. Je höher das Erwerbseinkommen ist, desto niedriger wäre die Teilleistung." In Summe könnte sich der Staat derart sogar Geld sparen. Für welche Sozialleistungen es gelten soll, lässt Karl noch offen. Theoretisch infrage kämen etwa das Arbeitslosengeld, die vorzeitige Alterspension, die Korridorpension oder die Schwerarbeiterpension.

Vorstellen kann sie sich auch eine generelle Anhebung der Zuverdienstgrenze. Viele würden nur bis zu dieser Grenze beschäftigt, weil dann nur Unfallversicherungsbeiträge anfallen. Wenn man den Wert anhebe, "könnten die Menschen auch ein höheres Entgelt erzielen" , sagt Karl.

Höhere Einstiegsgehälter

Von gesetzlichen Frauenquoten hält die erste Frau im ÖAAB-Generalsekretariat nichts. "Da bin ich grundsätzlich skeptisch." Ihr Ansatz: Das AMS solle nicht nur für Arbeitslose Fortbildungskurse anbieten, sondern auch für Teilzeitbeschäftigte. So könnte es Frauen erleichtert werden, von einem Teilzeitjob wieder auf eine Vollzeitbeschäftigung zu wechseln.

Aber auch für Frauen, die nur Teilzeit arbeiten wollen, brauche es bessere Karrieremöglichkeiten. "Es gibt in der Praxis sehr gute Modelle, wo Frauen auch in Teilzeit hochqualifizierte Tätigkeiten ausüben. Diese Vorbilder müssen wir mehr ins Blickfeld rücken."

Für nicht sinnvoll hält Karl Strafen für ungleiche Bezahlung von Männer und Frauen. "Das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist gesetzlich verankert." Gefordert seien also die Sozialpartner. Aber auch die Betriebsräte hätten die Möglichkeit, Einblick in die Gehaltsstruktur zu nehmen. "Vielleicht muss man sie in diese Richtung stärker sensibilisieren." Der wichtigste Punkt bei der Frauengleichstellung sei die "qualifizierte Ausbildung" , sagt Karl.

Abgehen will sie vom "Senioritätsprinzip" , das in manchen Kollektivverträgen dazu führt, dass bei längerer Betriebszugehörigkeit auch die Löhne steigen. Dadurch würden ältere Mitarbeiter für die Firmen nicht nur teurer als jüngere, das System sei auch ein Nachteil für Frauen. "Wenn sie aussteigen, um sich ein paar Jahre der Familie zu widmen, können sie das später nicht mehr aufholen. Sie bekommen nicht nur geringere Löhne, sondern sind auch bei den Sozialleistungen benachteiligt." Daher bedürfe es höherer Einstiegsgehälter und weniger Gehaltssprünge. Da eine Umstellung in der Übergangsphase teurer sei, sei diese aber wohl nur schrittweise machbar, meint Beatrix Karl.

Und schließlich sieht sie Handlungsbedarf bei neuen Beschäftigungsformen wie freien Dienstnehmern. "Wir müssen schauen: Wo gibt es Schutzdefizite?" Freie seien zwar sozialrechtlich abgesichert, für sie gelte aber kein Kollektivvertrag, und es gebe auch keinen Urlaubsanspruch. Gemeinsam mit Betroffenen will sie nun über Verbesserungsmöglichkeiten beraten. Gleichzeitig müsse die Schaffung eines einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs forciert werden. Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten seien nicht mehr zeitgemäß. (Günther Oswald, DER STANDARD-Printausgabe, 8./9. August 2009)