Meissener Affenkapelle aus dem 18. Jahrhundert im Rahmen der "Art Salzburg" .

Foto: Röbbig, München

Der Festspielstadt einen Hang zu unnützer Aufregung zu unterstellen wäre vermutlich übertrieben. Fakt ist allerdings, dass dieser Tage ein Affentheater ebendort Quartier bezieht. Kein symbolisches, sondern ein gegenständliches, entsprechend seines Alters verdientermaßen mit dem Attribut "Rarität" ausgestattet und über die motivische Intention geradezu auf Salzburg zugeschnitten.

Die Darsteller: 24 musizierende Porzellanäffchen, die sich als Ensemble zu einer Affenkapelle vereinen. Auf einen ersten flüchtigen Blick trägt deren exaltierte Buntheit zeitgenössische Züge, könnte man eine Installation eines japanischen Comic-Künstlers ebenso vermuten wie eine Arbeit von Jeff Koons aus den 80er-Jahren. Die Präzision der Malerei - im Porzellanjargon Staffage genannt - und die Feinheit des Mienen- und Gebärdenspiels bürstet diese Möglichkeit schnell vom Tisch.

Ihr Schöpfer ist der legendäre Meissener Modelleur Johann Joachim Kaendler (1706-1775). Wann exakt die erste Ausformung dieser Serie entstand, ist aufgrund des Verlusts der Kaendler'schen Arbeitsberichte in der Zeit von Jänner 1749 bis Juli 1764 bis heute nicht belegbar. Die Formnummern der Modelle verweisen jedoch in das Jahr 1747. Wie auch die Figuren der Commedia dell'Arte gehörte die Affenkapelle zu einem charakteristischen Serienprodukt der Manufaktur Meissen, das die Klientel im 18. Jahrhundert zum Sammeln motivierte.

Die Idee, Tieren menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen angedeihen zu lassen, war bereits in der Antike ein probates Mittel: um menschliches Handeln auf eine parodistische Weise zu veranschaulichen und aus vermeintlich animalischem Fehlverhalten lehrreiche Schlüsse für das humane Leben zu ziehen. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich auch die - zum Teil politisch instrumentalisierte - Tradition der Fabel. Über Jahrhunderte ergänzten der Welt der Fauna entnommene Darsteller das Motivprogramm sowohl bildender als auch angewandter Kunst. Im Mittelalter kam der Affe hinzu, den man als konvenable Spezies zur Veranschaulichung menschlichen Verhaltens mit überwiegend komischem Charakter erkor.

Im Rokoko entstand daraus ein eigenes, der "Chinoiserie" zugehöriges Subgenre der Groteske: Diese "Singerien" zeigen gewitzte Primaten in der Rolle der Protagonisten, zumeist "à la mode" gekleidet oder einen Charakter der Commedia dell'Arte verkörpernd. Zumindest einige der musizierenden Kaendler-Affen dürften dem aktuellen Stand der Forschung entsprechend ihr Vorbild im zeichnerischen Œuvre Christophe Huets haben, der prachtvolle Interieurs für französische Schlösser schuf.

Im Figurenrepertoire der Meissener Manufaktur gaben Primaten im Jahr 1731, modelliert - allerdings eher lebensnah und dem natürlichen Bewegungsduktus entsprechend - von Johann Gottlieb Kirchner ihr Debüt. Wegen ihres fremdartig anmutenden Aussehens erfreuten sie sich allgemeiner Beliebtheit. Kaendlers Interpretation von 1747, ausgeführt und bemalt zwischen 1753 und 1760, umfasste dagegen 22 im Stile des Rokoko staffierte Affen, die mit großer Hingabe und unter der Leitung eines lebhaft gestikulierenden Dirigenten musizieren.

Eine der ersten Serien erwarb, wie Aufzeichnungen des Pariser Kaufmannes Lazare Duvaux vom 24. Dezember 1753 dokumentieren, Madame de Pompadour. Weltweit, so erklärt Alfredo Reyes, Geschäftsführer von Röbbig (München), sind gerade einmal zehn Ensembles bekannt, und die aktuell vom führenden Spezialisten für frühe Porzellane - zuzüglich zweier Doppelgänger - zum Verkauf angebotene ist eine davon.

In einem der drei anlässlich der "Art Salzburg" Messe (15. bis 23. August) in den Räumen der ehemaligen erzbischöflichen Residenz präsentierten, mit französischen und deutschen Einrichtungsgegenständen ausgestatteten "Epochenräumen" wird dieses außergewöhnliche Objekt ein zeitlich eingeschränktes Gastspiel geben. Für eine Dauerverpflichtung dieser Affenkapelle muss man 360.000 Euro bereithalten. Deren im 19. und 20. Jahrhundert ebenfalls in Meissen produzierten Nachfahren mögen nur einen Bruchteil kosten, können dieser Originalformation in der Qualität allerdings nicht das Wasser reichen. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8./9.8.2009)