Orange Austria-Chef Michael Krammer

Foto: STANDARD/Christian Fischer

Nokia: "Symbian ist eine Sackgasse"

 

iPhone: "das iPhone hat sich zur Sharon Stone entwickelt"

 

3G-Netzausbau: "Führen Gespräche mit Mobilkom Austria (zu 3G)"

 

iPhone-Nachfrage: "Es gibt im Moment keine iPhones"

 

Tarife: "Von unserer Seite ist die Preisschlacht vorerst einmal beendet"

 

Netzabdeckung: "Wir erheben nicht den Anspruch, bis zu jedem Bauernhof 3G zu haben"

 

Mobile-Apps: "Ich nutze Xing nur mehr vom Handy"

 

Handy-TV: "So ein Jahr werden wir uns noch Zeit lassen können"

Foto: STANDARD/Christian Fischer

Michael Krammer zeichnet für die Wandlung des österreichischen Mobilfunkers "One" zur Tochter des international agierenden Orange-Konzerns verantwortlich. Weshalb das Kapitel "One" abgeschlossen, die durch den Markenwechsel initiierte Preisschlacht vorerst beendet ist und die Zukunft den iPhones und Androids der neuen Generation gehört, erklärt Krammer im Gespräch mit Zsolt Wilhelm. "Bedienen Sie heute einmal ein Symbian-Handy, nachdem Sie drei Wochen ein iPhone in der Hand gehabt haben - das ist wie Oldtimer-Fahren."

derStandard.at: Herr Krammer, können Sie sich noch an folgende Aussage erinnern?

"Viele von Ihnen kennen vielleicht meine Einstellung dazu. Das iPhone ist ein bisschen wie die Paris Hilton - von außen recht nett anzusehen, aber innen nichts Tolles."

Welches Handy benutzen Sie heute?

Michael Krammer: Das war eine Aussage zum iPhone 2G und dazu stehe ich heute noch. Dass sich die Paris Hilton weiterentwickelt hat in Richtung Cindy Crawford oder Sharon Stone, ist das sehr positiv. Und jetzt mit dem iPhone 3GS habe ich auch eines.

derStandard.at: Es scheint, als hätte ein einziges Mobiltelefon den gesamten Markt auf den Kopf gestellt...

Michael Krammer: Das ist definitiv so und das war damals (zum Start) auch so. Nur mit einer 2G-Technologie war das absurd. Es war das erste Handy, mit dem man bequem das Internet mobil nutzen konnte. Das Ding hat die Handy-Welt revolutioniert.

derStandard.at: Wenn ich Sie jetzt frage, wie zufrieden Sie mit dem iPhone-Geschäft sind, werden Sie vermutlich mit "sehr" antworten... Darum Frage ich sie das nicht. Aber ich möchte wissen, wie zufrieden Ihre Kunden mit dem iPhone von Orange sind.

Michael Krammer: Alle Aussagen, die wir hören, sind sehr positiv.

derStandard.at: Ich selbst kann Ihnen nicht so viel Gutes über meine Erfahrungen mit Orange und iPhone berichten. Ich warte seit Wochen auf mein Gerät - trotz 24 Monate Bindung, 800 Euro Gesamtkosten. Erst kürzlich wurde ich wieder per Email vertröstet. Herr Krammer, das Ganze wirkt für mich mittlerweile, als bräuchten Sie keine Kunden mehr? Läuft das Geschäft so gut?

Michael Krammer: Das tut mir sehr Leid, das ist ein europäisches Phänomen. Es gibt im Moment keine iPhones. Wir kriegen sie in nicht vorhersehbaren Tranchen geliefert und liefern sie dann "first come, first serve" aus. Wir bekommen derzeit leider immer nur homöopathische Dosen. Und die Lager-Situation wird sich laut Apple erst Mitte August wieder einigermaßen erholt haben. Das iPhone ist Mangelware.

derStandard.at: Wie viel Stück haben Sie für Österreich erhalten?

Michael Krammer: Das darf ich Ihnen aus Vertragsgründen nicht sagen. Aber Apple scheint von der Nachfrage überrascht worden zu sein.

derStandard.at: Sie haben mit dem iPhone und der Aktion "Halbe Grundgebühr" bislang ein Premium-Handset zu einem sehr kompetitiven Preis angeboten. Sind jene Leute, die sich über mangelndes Service beschweren selbst schuld, weil sie sich für das billigste Angebot entschieden haben?

Michael Krammer: Nein, das ist nicht zu entschuldigen. Wir sind hier jedoch von anderen abhängig. Das ist nicht die Qualität von Service, die wir bieten wollen, aber wir versuchen zumindest unsere Kunden am Laufenden zu halten.

derStandard.at: Orange ist international als Multimedia-affine Marke bekannt. In Österreich schien seit dem Markenwechsel von One bisher fast alles über den günstigsten Preis zu laufen. Nun ist die Aktion "Halbe Grundgebühr" ausgelaufen - ist die Preisschlacht damit vorläufig beendet?

Michael Krammer: Von unserer Seite ist die Preisschlacht vorerst einmal beendet. Wir gehen in die Sommerpause.

derStandard.at: Aber im September geht es schon weiter...

Michael Krammer: Dass es in der Dimension weitergeht, glaube ich nicht. Aber natürlich wird es wieder attraktive Angebote geben.

derStandard.at: Die Konkurrenz kommentierte Angebote wie "Halbe Grundgebühr" und "Hallo Europa" immer etwas skeptisch mit Aussagen wie "das kann sich nicht rechnen". Nun, wie rechnet sich das für Orange?

Michael Krammer: Ich freue mich, dass sich die Mitbewerber so große Sorgen um uns machen. Aber wenn ich mir die Halbjahresergebnisse von T-Mobile ansehe, muss ich mir Sorgen um diese Jungs machen. Wir haben im Gegensatz zu ihnen Kunden gewonnen. Und wer Kunden gewinnt, wird letztendlich auch erfolgreich sein.

derStandard.at: Was haben die Mitbewerber übersehen, was Sie in in Ihrer Strategie sehr wohl erkennen?

Michael Krammer: Das tut mir leid, das werde ich Ihnen jetzt nicht sagen. Es gibt keine Nachhilfestunden via WebStandard. (Lacht)

derStandard.at: Aber es ist kein Geheimnis, dass Sie zum Markenwechsel auf Kundenfang gehen wollten...

Michael Krammer: Ein Markenwechsel birgt immer ein gewisses Risiko. Es ist das Eine, die Corporate Identity einzuführen, aber gleichzeitig braucht man auch ein gutes Angebot, das für die Kunden als Beweisführung für die Marken-Attribute gesehen wird. "Hallo Europa" war der Tarif, mit dem wir unsere internationale Positionierung gestärkt haben.

derStandard.at: Was glauben Sie, verbinden die Österreicher mit der Marke "Orange"? Schwingt da immer noch ein bisschen One mit oder ist das Kapitel beendet?

Michael Krammer: Wir wissen aus den aktuellsten Studien, dass Orange bereits eine spontane Markenbekanntheit von 71 Prozent hat, wohingegen One nur mehr bei 31 Prozent liegt.

derStandard.at: Haben Sie da einen Vergleich?

Michael Krammer: Wir haben das historisch betrachtet. Nach dem Wechsel von MaxMobil zu T-Mobile lag die spontane Markenbekanntheit nach etwa zehn Monaten erst bei 45 Prozent.

derStandard.at: Einer der ersten populären Werbesprüche von One war "Rauschfrei". Wenn man Foren durchstöbert und Bekannten zuhört, stößt man immer wieder auf Beschwerden über das noch lückenhafte Orange 3G-Netz. Wann wird das weiter ausgebaut?

Michael Krammer: Wir decken mit dem Orange 3G-Netz fast 70 Prozent der österreichischen Bevölkerung ab.

derStandard.at: A1 und "3" brüsten sich mit über 90 Prozent Netzabdeckung bei 3G. Da gibt es doch noch Aufholbedarf...

Michael Krammer: Ehrlich gesagt, beim derzeitigen Preisniveau - vor allem bei mobilem Breitband, das von "3" vorgegeben wird - ist jede (3G-)Station, die man über diese Gebiete hinaus baut, ein garantiertes Verlustgeschäft. Wir haben im Gegensatz zu "3" keinen Eigentümer, der sich Verluste leisten kann und uns Geld zuschießen will. Wir wollen Gewinne machen und uns nachhaltig positionieren. Wir erheben nicht den Anspruch, bis zu jedem Bauernhof 3G zu haben.

derStandard.at: Denken Sie da auch über Kooperationen mit anderen Mobilfunkern nach?

Michael Krammer: Es ist ein offenes Geheimnis, dass wir nicht nur darüber nachdenken, sondern auch Gespräche führen.

derStandard.at: Mit wem?

Michael Krammer: Nicht mit "3".

derStandard.at: Mit einem österreichischen oder einem deutschen Anbieter?

Michael Krammer: (Lacht) Wir reden vor allem mit der Mobilkom Austria darüber.

derStandard.at: Vielleicht ist das mehr ein Vorwurf an die Regulierer, aber sehen sie die Vorgabe, dass jeder sein eigenes Netz aufbauen muss, als Fehler an?

Michael Krammer: Natürlich. Aber sehen Sie sich die Lizenzauflagen an. Bei 3G müssen 50 Prozent von jedem Anbieter abgedeckt werden. Das sind einmal die Voraussetzungen. Erst jetzt ermöglicht es uns die Technologie über RAN-Sharing (Radio Active Network) Netze zu teilen. Das war bis vor kurzem nicht machbar.

derStandard.at: Angesichts der anzunehmend hohen Investitionskosten betreffend Netzausbau, freut Sie der starke Trend in Richtung mobiler Datendienste und Mobile-Apps?

Michael Krammer: Natürlich. Sie sehen das selbst beim iPhone-Paket (Orange-Zusatzdienst), bei dem Sie um 14 Euro monatlich Datendienste nutzen können. Und wo kriegen Sie als Mobilfunker heute schon 14 Euro von einem Kunden?

Was mir allerdings schon Sorgen macht, sind die Preise beim mobilen Breitband. Heute bekommen Sie 3 GB um 9 Euro pro Monat - das geht sich nur mit "chinesischer Unterstützung" aus.

derStandard.at: Naja, es haben auch viele behauptet, dass sich Oranges Strategie (halbe Grundgebühr) nicht ausgeht...

Michael Krammer: Okay, lassen Sie uns ganz kurz überschlagmäßig rechnen:

Ein Sprach-Call braucht 13 Kilobits pro Sekunde. Selbst wenn man 1.000 Minuten pro Monat verbraucht, beansprucht man nur einen Bruchteil der Netzkapazitäten, die ein durchschnittlicher Kunde von mobilem Breitband nutzt.

derStandard.at: Bestechende Mathematik...

Michael Krammer: Ist nicht die hohe Schule, aber solange man die Grundrechnungsarten beherrscht, kann man das schon nachvollziehen.

derStandard.at: Wenn Sie Dienste wie Twitter, Facebook oder Lokalisierungs-Dienste ansehen, die durch Smartphones omnipräsent sind, glauben Sie, werden diese Kommunikationswege unser Leben effizienter gestalten oder uns einfach nur vom Wesentlichen ablenken? Viele Unternehmen verbieten ja soziale Netzwerke mittlerweile während der Arbeitszeit...

Michael Krammer: Ich habe ja gehört, dass da vor allem die Beamten betroffen sind. Das lässt natürlich bösartige Schlüsse zu...

derStandard.at: Erlauben Sie es Ihren Mitarbeitern?

Michael Krammer: Bei uns gibt es keine Einschränkungen. Wir sind ein Kommunikationsunternehmen und das ist ein wesentlicher Bestandteil, auch vom Markt-Monitoring.

Ich glaube nicht, dass viele Menschen mit Facebook ihr Leben effizienter gestalten, aber, dass sie es lustiger haben.

derStandard.at: Ist die mobile Nutzung sinnvoller?

Michael Krammer: Ich weiß nicht wie Sie das sehen, aber seit dem ich eine Mobile-App für Xing habe, nutze ich Xing nur mehr vom Handy aus und nicht mehr vom PC.

derStandard.at: Hannes Ametsreiter meinte Mobilfunkern und Softwareherstellern wie Google, Microsoft und Apple stünde in Zukunft ein Machtkampf bevor - weil es darum ginge, wer die besten mobilen Anwendungen bereitstellen und sichern könne. Haben Sie die gleiche Befürchtung?

Michael Krammer: Nein, nicht in dem Ausmaß. Ich glaube, dass es momentan gute Synergien gegeben sind. Wir stellen das Netz und die anderen bieten die Hardware und Software an.

Gefährlich wird es nur dann, wenn die Mobilfunker nachhaltig versuchen in das Applikationsgeschäft einzusteigen (woran wir zur WAP -Zeit kläglich gescheitert sind) oder wenn "die Googles" beginnen Netze zu bauen. Dann kann man von einem Kampf reden. Im Moment ist es ein symbiotisches Nebeneinander.

derStandard.at: Haben Sie Angst, dass Hardware- oder Softwarehersteller mit der Forderung kommen werden, an den Mobilfunk-Einnahmen mitschneiden zu wollen?

Michael Krammer: Nein. Apple ist beispielsweise kläglich daran gescheitert und musste sein Konzept nachträglich ändern. Jetzt ist es fair. Und es hindert uns als Mobilfunker auch nichts mehr daran selbst Apps herzustellen.

derStandard.at: Wo ist die Orange-App?

Michael Krammer: In Österreich gibt es sie noch nicht. Aber in Frankreich hat Orange eine App für Mobile-TV.

derStandard.at: Apropos: Vor der EM 2008 war Handy-TV über DVB-H ein riesiges Thema. Orange (damals One) und "3" feierten damals einen großen Sieg bei der Lizenzvergabe. Ende Juli meinte ein finnischer Forscher, Handy-TV sei nicht mehr zu retten...

Michael Krammer: Wir haben in Österreich hier eine Vorreiterrolle eingenommen, mit einem guten und tragbaren Modell. Uns fehlen einfach die Endgeräte. Und warum? Weil die Nokias und Samsungs keine Modelle für acht Millionen Einwohner bauen. Es fehlt der Durchbruch in einem der großen europäischen Länder.

derStandard.at: Die Frage wird sein, wie lange man noch abwarten kann...

Michael Krammer: Die Entscheidungen in Frankreich und Polen fallen ja eh demnächst. So ein Jahr werden wir uns noch Zeit lassen können. Für uns als Mobilfunker (in Österreich) ist das Geschäftsmodell ja relativ risikolos. In Marketing werden wir jetzt aber sicher nicht investieren.

derStandard.at: Kommen wir abschließend noch einmal auf die Smartphones zurück. Sehen Sie die allmähliche Etablierung von Android als positive Entwicklung?

Michael Krammer: Absolut positiv. Die Android-Handys sind noch nicht ganz auf dem Komfort-Niveau eines iPhones, aber es ist jedenfalls die richtige Richtung. Das wird ein Massenmarktprodukt.

Sie werden es sehen - im nächsten Jahr gibt es die ersten Android-Handys zum 100-Euro-Einkaufpreis und das wird das Internet so richtig mobil machen.

derStandard.at: Kannibalisieren sich Android und iPhone?

Michael Krammer: Ich würde die beiden nicht in einen Topf werfen. Android wird von vielen Herstellern genutzt werden, das iPhone bleibt ein Gesamtpaket.

derStandard.at: Sehen Sie Android als Gefahr für Windows Mobile und Symbian?

Michael Krammer: Das richtige Problem hat Nokia.

derStandard.at: Und Microsoft?

Michael Krammer: Windows Mobile war eh immer ein Nischenprodukt. Da muss man schauen, wie die nächste Version wird. Es ist jedenfalls offener und flexibler als Symbian. Mit Symbian ist man in der Sackgasse. Bedienen Sie heute einmal ein Symbian-Handy, nachdem Sie drei Wochen ein iPhone in der Hand gehabt haben - das ist wie Oldtimer-Fahren.

derStandard.at: Sie als Heavy-User und "Neuwagenfahrer": Welche Mobile-App fehlt Ihnen noch und würden Sie sich wünschen?

Michael Krammer: Ich bin erschüttert, dass derStandard.at noch keine Mobile-App hat und das, obwohl derStandard.at der Vorreiter im Web ist. Mir geht das echt ab. Ich will nicht mehr in den Browser einsteigen und eintippen - da gehört eine App her.

derStandard.at: Vielen Dank für das Gespräch. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 6.8.2009)