Warschau - Eine Polin ist für die Beleidigung eines homosexuellen Nachbarn zu einem Schmerzensgeld von 15.000 Zloty (3.658 Euro) verurteilt worden. Sie hatte den Mann "Pedal" geheißen, das am weitesten verbreitete polnische Schimpfwort für Schwule. Politiker der großen konservativen Parteien haben das Urteil des Kreisgerichts in Szczecin (Stettin) kritisiert.

"Da ist das Gericht wohl ein bisschen zu weit gegangen", sagte der Abgeordnete der rechtskonservativen Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) Pawel Poncyliusz der Zeitung "Dziennik". "Pedal" sei zwar ein "flegelhafter Ausdruck", den er nicht verwenden würde, aber die Verwendung solcher Schimpfwörter solle nicht bestraft werden, so Poncyliusz. Von einem "unwahrscheinlich hohen" Schmerzensgeld sprach auch der Parlaments-Vizepräsident Stefan Niesiolowski von der rechtsliberalen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO).

"Schritt in die richtige Richtung"

Lob für das Gericht kam einzig aus der Oppositionspartei "Bündnis der demokratischen Linken" (SLD). Es habe "einen Schritt in die richtige Richtung" gemacht, erklärte die SLD-Abgeordnete Joanna Senyszyn. Ihrer Ansicht nach seien "Pedal" und "Jude" die in Polen am häufigsten gebrauchten Schimpfwörter, und das Gericht habe dieser Praxis den Kampf angesagt, so die Politikerin.

Vor allem unter der Regierung der PiS zwischen 2005 und 2007 fühlten sich Homosexuelle in Polen diskriminiert. So wollte der damalige Bildungsminister Roman Giertych von der national-katholischen Partei "Liga polnischer Familien" homosexuelle Lehrer entlassen, die ihre sexuelle Orientierung offen zeigten. Politiker der PiS sprachen sich auch immer wieder für ein Verbot von Homosexuellen-Demonstrationen für mehr Gleichberechtigung aus.

Die heute regierenden Parteien, die Bürgerplattform PO und die gemäßigte Bauernpartei PSL, geben sich zwar liberaler als die PiS. Homosexuellen-Organisationen werfen ihnen aber vor, dass sie nichts gegen die Vorurteile in der Gesellschaft unternehmen. In der Schule werde das Thema noch immer im Sinne der katholischen Sozialethik behandelt, sagte die Vorsitzende der Organisation "Kampagne gegen Homophobie" Marta Abramowicz gegenüber der APA.

Auch den Vorbehalt Polens gegen die EU-Grundrechtecharta erhält die amtierende Regierung aufrecht. Diesen hatte die PiS-Regierung ausgehandelt, weil sie fürchtete, die Charta zwinge Polen zur rechtlichen Anerkennung von homosexuellen Partnerschaften. (APA)