Kabul - Wenige Tage nach seinem Amtsantritt ist der neue NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen überraschend nach Afghanistan gereist. Nach einem Treffen mit Präsident Hamid Karzai sprach sich der frühere dänische Regierungschef am Mittwoch für ein stärkeres militärisches Vorgehen aus. Im Moment gebe es "keine Alternative" zu "mehr militärischen und zivilen Anstrengungen", um die zunehmende Gewalt von Aufständischen einzudämmen.

Friedensgespräche mit gemäßigten Aufständischen seien ebenfalls eine Option, um den Konflikt in der Region zu beenden, sagte Rasmussen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Karzai. Er sei bereit für "pragmatische Schritte", sagte der neue NATO-Chef. Voraussetzung sei jedoch, dass die afghanische Regierung die Verhandlungen aus einer "Position der Stärke" heraus führen könne. Daher gebe es "keine Alternative" zu einer Fortsetzung und Verstärkung des militärischen Engagements am Hindukusch.

Wahlen

In Afghanistan finden am 20. August Präsidentschafts- und Regionalwahlen statt, die Gewalt von Aufständischen nahm in den vergangenen Wochen stark zu. Erst am Mittwoch wurden bei einem Bombenanschlag in der Provinz Nangarhar im Osten des Landes nach offiziellen Angaben sechs Zivilisten in ihrem Auto getötet, als sie auf dem Weg zu einem Treffen mit örtlichen Regierungsvertretern waren.

Im Vorfeld der Wahlen werden weitere Attentate erwartet. Die afghanische Regierung kündigte am Mittwoch an, das Land am Wahltag besonders vor Anschlägen zu schützen. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Kabul mitteilte, soll unter anderem der Verkehr eingeschränkt und stärker kontrolliert werden. Zudem sollen landesweit 300.000 afghanische und internationale Sicherheitskräfte stationiert werden. Beobachter fürchten, dass viele Afghanen aus Angst vor Anschlägen nicht zur Wahl gehen könnten.

Am Donnerstag will Rasmussen mit drei weiteren Präsidentschaftskandidaten zusammentreffen, darunter mit dem früheren Außenminister Abdullah Abdullah. Neben einem Besuch bei ISAF-Soldaten waren nach NATO-Angaben zudem Gespräche mit dem Chef der internationalen Truppen in Afghanistan, dem US-General Stanley McChrystal, sowie dem UN-Gesandten für Afghanistan Kai Eide geplant.

Rasmussen hatte am Montag bei seinem ersten Auftritt als NATO-Chef in Brüssel erklärt, Afghanistan werde der Schwerpunkt seiner Tätigkeit sein. Die NATO-Truppen müssten verhindern, dass das Land wieder zu einer "Drehscheibe des internationalen Terrorismus" werde. In einem Interview hatte er sich zudem dafür ausgesprochen, Gespräche mit gemäßigten Taliban aufzunehmen. Am Afghanistan-Einsatz sind rund 65.000 ISAF-Soldaten beteiligt. (APA)