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Klare Richtlinien fehlen. Wie sicher ist also das Steuergeld in Händen der ÖBFA?

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Ertrag, Kassenstärker, fiktives Veranlagungskapital: Wovon ist eigentlich die Rede, wenn es um die Geschäfte der Bundesfinanzierungsagentur geht? Eine versachlichte Debatte über die ÖBFA schaut anders aus.

Michael Böheim hat in seinem Kommentar über die Veranlagungspraktiken der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) eine Versachlichung der Debatte eingefordert (hier nachlesen). Zu Recht. Mit seinem Beitrag knüpft er allerdings nahtlos an der von ihm angeprangerten bisherigen Tiefenstruktur der politischen Debatte an. Sein Versuch einer Beurteilung der Performance der ÖBFA in Bezug auf die Veranlagung von Kassenstärkern ist kläglich gescheitert. Daran ist nicht nur die mangelnde Datenlage schuld.

Für Böheim ist die Frage der Performance der ÖBFA rasch geklärt. Seinem errechneten "fiktiven Veranlagungskapital" müsse nur das von der ÖBFA eingesetzte Veranlagungsvolumen gegenübergestellt werden. Wenn für diesen Vergleich die Daten herangezogen werden, die Finanzminister Pröll im Rahmen einer dringlichen Anfrage bei der letzten Sitzung des Bundesrates bekanntgegeben hat, dann ist die Performance der ÖBFA durchgängig als schlecht zu bewerten: Die durchschnittlichen Veranlagungsvolumina liegen in allen Jahren erheblich über seinen fiktiv errechneten. Aber haben wir deshalb Klarheit? Keineswegs, denn Böheim macht bei seiner Berechnung zwei fundamentale Fehler.

Fehler Nummer eins besteht darin, dass er als Benchmark für die Veranlagung der ÖBFA die Sekundärmarktrendite des Bundes heranzieht. Diese Rendite kann als Maßstab für mittelfristige Veranlagungen herangezogen werden, eignet sich jedoch nicht für unterjährige Veranlagungen sogenannter Kassenstärker. Und genau diese hat der Rechnungshof in seinem Bericht unter die Lupe genommen und die drohenden Verluste geortet. Böheim verwechselt also die Fristigkeiten.

Fehler Nummer zwei besteht darin, dass Böheim die Berechnung seines "fiktiven Veranlagungskapitals" aus den Nettoerträgen der ÖBFA (Zinserträge minus Zinsaufwendungen) und den Bruttoerträgen aus der Veranlagung in festverzinsliche Wertpapiere ableitet. Er vergisst ganz offensichtlich, dass den Erträgen aus der Veranlagung in festverzinsliche Wertpapiere auch Finanzierungskosten gegenüberstehen. Böheim vermischt also Brutto- und Nettogrößen.

Die von allen erwünschte Klarheit können wir erst bekommen, wenn der Finanzminister das Zustandekommen der Nettoerträge offenlegt. Dann können die Erträge aus der Veranlagung der Kassenstärker einem frist- und risikogerechten Benchmark für kurzfristige Veranlagungen gegenübergestellt werden.

Aber die Kernfrage im Zusammenhang mit dem Liquiditätsmanagement der ÖBFA, die keiner der politisch Verantwortlichen bisher gestellt hat, bleibt trotzdem offen. Sie lautet: Ist die kontinuierliche Ausweitung der Kassenstärker in den letzten Jahren mit den gesetzlichen Bestimmungen vereinbar?

Das Haushaltsrecht des Bundes (§ 40 Abs. 1) ist wohl dahingehend zu interpretieren, dass sich die Aufnahme von Kassenstärkern auf das unbedingt wirtschaftlich notwendige Mindestmaß zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit des Bundes zu beschränken hat. Eine weit darüber hinausgehende Aufnahme von Kassenstärkern, die der Erzielung zusätzlicher Einnahmen für den Bund dient, findet meines Erachtens in dieser Bestimmung keine gesetzliche Deckung.

Der Rechnungshof hat sich ja zu den Kassenstärkern bereits in seinem Tätigkeitsbericht 2001 sehr kritisch geäußert. Er vertrat schon damals die Ansicht, dass die geübte Praxis der ÖBFA hinsichtlich der Veranlagung der aufgenommenen Kassenstärker an den haushaltsrechtlichen Grenzen angelangt sei und empfahl dem Bund, die betreffenden Bestimmungen des Bundeshaushaltsrechts an die Marktgegebenheiten anzupassen und eindeutig zu formulieren.

Nichts dergleichen ist bis heute geschehen. Im Gegenteil, die Ausweitung der Kassenstärker ging weiter und erlebte im Jahr 2007 ihren Höhe- und mit den drohenden Verlusten zugleich ihren Tiefpunkt. Unerklärlich in diesem Zusammenhang und höchst aufklärungsbedürftig ist der verstärkte Anstieg der kurzfristigen, hochriskanten Veranlagungen im Sommer 2007, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Finanzkrise bereits voll ausgebrochen war. Es kann nicht die Aufgabe des Bundes bzw. seines Schulden- und Liquiditätsmanagements sein, die Funktion einer Bank zu übernehmen.

Endlich Limits einziehen

Es gilt also das Übel an der Wurzel anzupacken. Das bedeutet, dass zu allererst die haushaltsrechtlichen Bestimmungen in Bezug auf die Kassenstärker eindeutig geregelt werden müssen. Limite für die Kassenstärker, wie sie in anderen Ländern üblich sind, bieten sich an. Wenn darüber Klarheit herrscht, dann ist es die Aufgabe eines verbesserten Risikomanagements mit einer strikten umfassenden Limitarchitektur und entsprechender Diversifikation für einzelne Finanzprodukte – wie sie auch der Rechnungshof fordert -, den "trade-off" zwischen Risiko und Ertrag für den Bund im Zusammenhang mit dem Debt- und Liquiditätsmanagement zu minimieren. Die Politik richtet ihren Fokus derzeit einseitig auf den zweiten Schritt. (DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2009)