Ilona Christen hat in den 1990ern das Talkshow-Format im deutschsprachigen Raum geprägt.

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Zurück zur Mama. Meine Frau hat eine Geliebte. Ich flehe dich an: Hör auf, mich zu quälen. Du bist zu dick für Sex. 0190 - Ärger mit dem Telefonsex: Darum ging es sechs Jahre. Werktags eine Stunde lang stritten Ilona Christens Gäste im angeheizten Klima der Dauerempörung.

Dein Tick wird dich noch krank machen. Aufs Sterben hab' ich keinen Bock. Besoffene Frauen find' ich fürchterlich. Nette Männer sind Nieten. Christen steht für eine Zeit, in der Privatfernsehen noch Tutti Frutti, Der heiße Stuhl und Traumhochzeit war. Das Publikum war begeistert von den Talkshows, in denen erbärmliche Zeitgenossen Intimbereiche des Zusammenlebens freilegten und sich damit bis auf die Knochen blamierten. Die Sender wiederum freuten sich über die spottbillige Form der Unterhaltung. Nur besorgte KritikerInnen wurden nicht müde, im gewinnorientierten Privatfernsehen das Böse im 4:3-Format zu sehen.

Ratten, Schimmel? Miete runter! Ich lebe mit einem Putzteufel. Was willst du mit dem alten Knacker? Deine Tierliebe ist abartig. Bezeichnend war, dass die TalkerInnen anfangs seriös wirkten. Ilona Christen strahlte nicht den "Lieber-Onkel-Bill"-Charme eines Hans Meiser aus, der werktags um 16 Uhr in ähnlicher Themengülle wühlte. Zuvor, um 15 Uhr, näherte sich Christen mit großer Brille, blonden Strähnchen im Haar und gouvernantenhafter Gelassenheit. Fremd war ihr das künstliche Echauffieren eines Andreas Türck oder das fiepsige Insistieren einer Arabella, die mit ihr täglich die Sau durchs Dorf trieben.

1999 reichte es, Christen zog sich zurück und kritisierte das Genre. Mehr als 1000 Sendungen moderierte sie zwischen 1993 und 1999. Christen war seit 1982 mit dem Luzerner Bauunternehmer Ambros Christen verheiratet. Ihr Tod löste unter Twitter- und Facebook-Usern gut bekannten Alarmismus über Todeszeitpunkt und -ursache aus. Sie starb am Freitag an den Folgen einer Blutvergiftung. (prie, DER STANDARD, Print, 4.8.2009)