Gutsverwalter Maximilian Hardegg sieht Landwirte mit beiden Beinen auf dem Boden stehen - "weil innerhalb einer halben Stunde eine Ernte vernichtet sein kann."

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Standard: Sie sind als Großgrundbesitzer ein typischer Vertreter der besitzenden Klasse, um es ein bisserl marxistisch zu formulieren. Was halten Sie vom Kapitalismus?

Hardegg: Also das Wort Kapitalismus, besonders der Kapitalist, ist für mich sehr negativ besetzt. Es geht um die soziale Marktwirtschaft, um das System, das wir seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt haben mit dem Mittelpunkt Konsument und dessen Kaufkraft. Und da ist die Landwirtschaft ein ganz wichtiger Anknüpfungspunkt: Bei den meisten europäischen Haushalten sind die Ausgaben für Nahrung sehr gering geworden. Das ist eindeutig ein Hinweis, dass im Budget für andere Dinge Platz gemacht wurde: für Bildung, Mobilität, Reisen. Das ist eindeutig eine Errungenschaft, die auf das Konto der Landwirtschaft geht.

Standard: Die aber auch ausreichend gefördert wird.

Hardegg: Diese Diskussion wird einseitig geführt, besonders jetzt, da es ab 2013 eine neue Periode für die EU-Agrarhilfen geben wird. Ich sage mir, man muss abwägen: Was kostet es, und was bekommt die Gesellschaft dafür? Und sie bekommt viel, abgesehen von günstiger Nahrung. Eine intakte Umwelt, dass alles gepflegt und sauber ist. So etwas kann nicht gratis geliefert werden. Dann die Nahrungssicherheit. Das ist ein Thema, das 2008 wieder akut wurde, als Nahrungsmittelreserven nur mehr für zehn Tage vorhanden waren, weltweit. Die Weltbevölkerung wächst jährlich um 85 Millionen Menschen, das heißt es ist ein großer Auftrag, die Landwirtschaft nachhaltig zu sichern und gleichzeitig zu intensivieren.

Standard: Okay, aber ist das Ausmaß an Subvention nötig?

Hardegg: Ich bin kein Agrarpolitiker. Ich bin Landwirt und natürlich Teil des Systems, auch bei Agrarförderungen. Und als solcher stelle ich die Gegenfrage: Was wäre, wenn wir mit unserer Nahrung abhängig wären von Ländern wie Libyen und Simbabwe? Man sieht doch, wie fragil unsere Energieabhängigkeit ist. Alle großen Mächte - und da zähle ich die EU dazu, haben stark subventionierte Landwirtschaft, Japan hat zusätzlich noch einen starken Außenschutz. Da sind auch strategische und Sicherheitsinteressen im Spiel.

Standard: Sie meinen also nicht, dass es in einer globalisierten Welt Arbeitsteilung geben könnte, dahingehend dass die armen Länder ihre Landwirtschaft für den Export entwickeln?

Hardegg: Wir haben in Europa gesicherte klimatische Bedingungen; Unsere Ackerböden gehören zu den fruchtbarsten auf der Erde. Alles spricht dafür, dass wir weiter Landwirtschaft machen.

Standard: Wie hoch sind die Förderungen, die Sie erhalten?

Hardegg: Wir haben 2300 Hektar Landwirtschaft, das heißt wir versorgen eine Kleinstadt von rund 20.000 Menschen mit Brot und Getreide. Und wir bekommen 600.000 Euro. Die Leistung, die wir dafür liefern, ist, dass wir die Auflagen zur Erhaltung einer nachhaltigen Landwirtschaft einhalten.

Standard: Ihre Branche ist aber verdächtig still bei der aktuellen Diskussion um gerechte Verteilung.

Hardegg: Das hängt damit zusammen, dass sich kein Bauer reich fühlt, es auch nicht ist. Die Branche ist höchstwahrscheinlich die mit dem höchsten Risiko. Wir sind dem Markt und dem Wetter ausgesetzt. Hagel, Überschwemmungen, Trockenheit. Diese Risiken bedeuten, dass man mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben muss. So Großkopferte, wie wir auf dem Land sagen, gibt es bei uns nicht - weil innerhalb einer halben Stunde eine Ernte vernichtet sein kann.

Standard: Landwirtschaft und Finanzmärkte haben nichts gemein?

Hardegg: Doch, doch. Die Finanzmärkte sind erst letztes Jahr wieder auf die Landwirtschaft aufmerksam geworden. Wir haben beobachten können, wie die Agrarmärkte den Energiemärkten gleichgestellt wurden, als der Ölpreis hoch war und Weizen oder Mais wegen der erneuerbaren Energien interessant wurden. Wir wissen, wie das ist, wenn sich der Finanzmarkt auf einen stürzt. Im Positiven wie im Negativen. Aber von den Spekulationsgewinnen, die da eingefahren wurden, haben die meisten Bauern nichts gehabt.(Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.8.2009)