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Starke Farben für laue Stimmen: Erwin Schrott bei seiner Reise vom Erotischen ins Rotlicht, mit dem Regisseur Keith Warner die Höllenfahrt des Don Giovanni im Theater an der Wien illustriert.

Foto: APA/Techt

Wien - Eng und heiß wird es für diesen unverbesserlichen Weiberhelden nicht erst am Ende, wenn er in seinem gläsernen Sarkophag farbig-illustrativ vor sich hinblutet, während der göttliche Arnold Schoenberg Chor schon aus dem Jenseits herübertönt. Schon viel früher hat sich die Schlinge um den feinen Herrn und seine Lügengebäude in Keith Warners einst für das Mozartjahr ersonnener und jetzt musikalisch neu einstudierter Inszenierung des Don Giovanni unwiderruflich immer weiter festgezurrt.

Der britische Stammgast im Theater an der Wien hatte 2006 das Libretto sehr genau gelesen und nachhaltig die Enge und das Schwindelgefühl, die Lorenzo da Pontes Textbuch schildert, auf die Bühne gebracht, etwa indem er die Wände jenes "Hotel Universale", in welchem er die Handlung ansiedelte, sich aufeinander zubewegen ließ oder die Protagonisten als unfreiwillige Fahrgäste in einer Liftkabine gefährlich intim zusammenpferchte.

Warner hatte aber nicht nur die zeitgenössische Terminologie der Oper "in zwei Aufzügen" wortwörtlich umgesetzt und zwei Fahrstühlen eine tragende Rolle zugewiesen, sondern auch die Bezeichnung "Dramma giocoso" ernst genommen, indem er dessen Schalk und Sarkasmus gebührend hervorstrich.

Auch mit weitgehend neuen Darstellern lebt seine Regie noch immer von ihrem sprühenden Witz und ihrer grimmigen Komik. Freilich beinhaltet sie auch manche Bilder von wahrscheinlich unfreiwilligem Humor, deren Problematik sich dadurch noch ein wenig verschärft haben mag, dass an der Inszenierung wohl nicht mehr ganz so intensiv gearbeitet wurde wie vor drei Jahren mit den ursprünglichen Sängern.

Halsbrecherisch überfordert

Doch noch in anderer Hinsicht schien einiges von der Intensität, die die Produktion damals ausgestrahlt hatte, wesentlich abgeschwächt. Nicht nur wirkte die schauspielerische Aktion der Sänger über weite Strecken weit weniger plausibel, vor allem geriet auf der Bühne die musikalische Seite oft nicht mehr als lau.

Erwin Schrott in der Titelpartie ist zwar ein sympathischer, bubenhafter, charmant lächelnder Latin Lover; sein schöner Bariton verfügt aber über kein genügend tragfähiges Piano, hat mit einiger Schwere und deutlicher Überforderung nicht nur in der halsbrecherischen "Champagnerarie" zu kämpfen.

Schöne Momente gelingen Schrott zwar genauso wie der herben Véronique Gens als atemlos hetzender Donna Elvira, der oft gefährdeten Aleksandra Kurzak als schluchzender Donna Anna und der munteren Nina Bernsteiner als etwas näselnder Zerlina.

Ein wenig zu blass wirkt der brave Don Ottavio von Bernard Richter, etwas zu tapsig der Masetto von Markus Butter, während einzig Hanno Müller-Brachmann als Leporello die rollendeckende Spielfreude und den virtuos orgelnden Ausdrucksreichtum vom Jahr 2006 in die Gegenwart herüberretten konnte.

Verlässliche Orchesterbasis

Es wäre wohl ungerecht, alle Unsicherheiten nur auf den Dirigenten zurückzuführen, zumal Riccardo Frizza am Pult des ORF Radiosymphonieorchesters Wien recht kurzfristig für den erkrankten Rinaldo Alessandrini einspringen musste.

Trotz einiger Kommunikationsprobleme gelang ihm nämlich, nicht nur für eine verlässliche Orchesterbasis zu sorgen, sondern einige bemerkenswerte Akzente zu setzen, indem er das inzwischen unerschüttlich operngeeichte Orchester zu suggestiver Klangrede und perlender Flexibilität anhielt. Besonders die phänomenalen Blechbläser verstanden es, diesen Don Giovanni neben einem metallisch-sinistren Attila Jun in der Rolle des Komtur bis zur finalen Höllenfahrt prächtig zu begleiten.

Denn mit dieser endet die Wiener Fassung, für die man sich im Theater an der Wien entschied. Was allerdings am Samstag erst mit dem Schlussapplaus eigentlich beginnen sollte, waren heiße Gefechte der Paparazzi, die sich rund um Erwin Schrotts Verlobte Anna Netrebko, der der Rummel ganz offensichtlich zu viel war, unschöne Szenen im Zuschauerraum lieferten. Blut floss jedoch hier wie durch ein Wunder keines. (Daniel Ender, DER STANDARD/Printausgabe 3.8.2009)