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Als vor zwei Jahren das Debüt der Noisettes erschien, klang die Band noch entschieden ruppiger. Das Londoner Trio mit den Wurzeln im Punk und in einer nicht versiegenden britischen Szene der gitarrenlastigen Underground-Sensatiönchen bot auf What's The Time Mr. Wolf? zwar auch schon Ausflüge ins melodiöse Popfach. Immerhin schaffte es ihr Song Scratch Your Name ins Finale der TV-Serie The Sopranos. Dennoch rumpelten die Stücke zwischen Sixties-Anklängen im Graubereich Garagenrock, Cpt. Beefheart und Soul-Punk noch ordentlich im kommerziellen Nischensegment.

Mit dem Nachfolger Wild Young Hearts soll nun alles anders werden und in die Breite gehen. Sängerin und Bassistin Shingai Shoniwa, eine Nichte des legendären Musikers Thomas Mapfumo aus Zimbabwe, Gitarrist Dan Smith und das zottelhaarige Schlagzeugtier Jamie Morrison haben mit elf neuen Stücken eindeutig den Mainstream im Auge.

Nach einem Leben im Tourbus und etwa auch einem Gastspiel vor schütterer Kulisse in Wien versucht sich das Trio hörbar an einem gefälligen Brückenschlag zwischen altem Kunstschulanspruch und musikalischem Pragmatismus. Man hört, hörbar teuer und souverän Richtung transparenter Breitbandsound produziert, nicht nur bereits im Werbefernsehen für einen japanischen Autokonzern eingesetzten Dancepop. Der Song Don't Upset The Rhythm schoss in Großbritannien auf Platz eins der Verkaufscharts.

Die swingende Fröhlichkeit des Titelstücks, die aufgrund der aufgerauten, leicht abgelebten und dennoch mit jugendlichem Charme überzeugenden Stimme Shingai Shoniwas ziemlich verkaufsträchtig an Amy Winehouse ohne Flachmann erinnert, entzückt sommerlich milde gestimmte Hörer ebenso wie Never Forget You. Hier jubilieren über Soul-Beats die Geigen einst wie in Produktionen Phil Spectors. Geschichtsbewusst werden in So Complicated die britischen Pop-Überväter The Smiths mit Jingle-Jangle-Gitarrenläufen geehrt. In Saturday Night geht es forschen Schrittes auf Plateausohlen in die mit Synthesizerpluckern angepriesene Space-Disco. Beat Of My Heart ist klassischer Alternative Rock mit abgedämpfter Rhythmusgitarre und mit Verzerrereffekt vollgestrampftem Refrain. Im Soloteil gniedelt die Klampfe dann gar Richtung Bombastrock im Stile eines Brian May von Queen.

Zwei Balladen machen für das Album die Klammer. Die entzückend gezupfte und geträllerte sommerliche Akustikballade Sometimes ("I am an island in the setting sun ..." ) zu Beginn sowie das abschließende, auf kräftigen Klavierakkorden basierende Midtempostück Cheap Kicks beweisen zudem, dass die Noisettes neben einer fantastischen Produktion von Jim Abbiss (Björk, Massive Attack, Arctic Monkeys, Kasabian ...) sehr viel Augenmerk auf das Songwriting gelegt haben.

Shingai Shoniwa dürfte sich natürlich auch aufgrund ihres hübschen Anblicks und einem Drang zu avantgardistischer Schneiderkunst bei entsprechendem Marketingeinsatz als neuer Star zumindest in Europa auf Mittelbühnen etablieren. Für einen Erfolg im bezüglich Subtilität und Metapop wie Zitatkunst historisch nicht sehr empfänglichen Markt wie dem US-amerikanischen wird sich diese hübsche Kunst der dreiminütigen Petitesse eher nicht ausgehen. Da seien Lady Gaga und ihr prolliger Trashpop vor. (Christian Schachinger / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.7.2009)