Kein Zweifel, Barack Obama hat in dem halben Jahr, seitdem er US-Präsident ist, im Nahen Osten schon etwas verändert. Sein Rezept ist, auf zwei Worte reduziert, die höfliche Kühle, mit der er Israel begegnet. Das macht Eindruck auf die arabische Welt und insbesondere auf die Palästinenser, die das Gefühl bekommen, dass vielleicht doch noch etwas besser werden kann. Es macht vor allem Eindruck auf die Israelis und insbesondere, bei aller vorgeschobenen Kaltschnäuzigkeit, auf deren Premier Benjamin Netanjahu. Der scheint nicht mehr so recht zu wissen, an welchen Positionen er noch festhalten kann und welche er schon aufgeben muss, einfach weil er nicht mehr weiß, ob die Amerikaner noch Freunde oder etwa schon Gegner sind.

Eine der Veränderungen besteht darin, dass demnächst eine neue Formel für die jüdischen Siedlungen im Westjordanland wirksam werden wird. Erstmals, seit es die Siedlungen gibt, wird eine israelische Regierung (wenn auch zunächst nur mit einer zeitlichen Begrenzung) prinzipiell ihre Zustimmung dazu geben, dass der Ausbau der Siedlungen aufhört. Zuvor hat Netanjahu sich auch dazu durchringen müssen, erstmals den Begriff "palästinensischer Staat" in den Mund zu nehmen. Zugleich sind in den letzten Monaten nach und nach Straßensperren abgebaut worden, was aus der Sicht der Palästinenser zwar nicht ausreicht, für sie aber doch eine konkrete Erleichterung bedeutet.

Alle diese schon sichtbaren Veränderungen sind aber letztlich nur Vorleistungen, die den Wiedereinstieg in eigentliche Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern ermöglichen sollen. Und nach wie vor fragen sich Beteiligte und Beobachter, was Obama in der Substanz eigentlich vorhat. Denn dass Obama den neuen israelischen Regierungschef mit mittelsanftem Druck dazu gebracht hat, einen Palästinenserstaat zu akzeptieren, ist nur ein Scheinerfolg und eigentlich ein Zeichen eines Rückschritts - vor Netanjahu hatten drei verschiedene israelische Premiers sich ja schon längst mit einem Palästinenserstaat abgefunden, unter ihnen auch der Rechte Ariel Sharon. Und selbst wenn schon morgen Früh alle Baggerfahrer und Fliesenleger aus allen Siedlungen verschwinden, ist damit natürlich noch kein einziges der Kernprobleme gelöst.

Wie soll etwa eine physische Teilungslinie durch Jerusalem gezogen werden, wer wird die Souveränität über den Tempelberg bekommen, welche Siedlungen werden geräumt und welche bleiben, wie wird ein Korridor zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen funktionieren? Und wie soll überhaupt ein Palästinenserstaat entstehen, wenn die Hamas im Gazastreifen sitzt und nicht daran denkt, sich von der Macht wieder entfernen zu lassen?

In all den Detailfragen können und wollen die Amerikaner wohl kaum eigene Lösungen vorlegen, die sie den Parteien dann aufzwingen müssten, mit dem eingebauten Risiko, sich zu blamieren. Und Obama wird wohl auch nicht vorhaben, Nato-Truppen in den Gazastreifen zu schicken.

Die Ideen, die vorläufig umherschwirren, beinhalten internationale Nahost-Konferenzen, Interimslösungen, Zeittafeln, die in eine relativ ferne Zukunft reichen. All das ist nicht sehr originell und erinnert frappant an Oslo, an die "Road Map" des Nahost-Quartetts und an Annapolis - also an ganze Schichten von Prozessen und Zielterminen, die während der letzten 15 Jahre gekommen und wieder gegangen sind. Obama hat es geschafft, die Stimmung zu verändern und die Resignation zu übertünchen. Nüchtern betrachtet gibt es aber noch keinen sachlichen Grund für die Annahme, dass er das, was er sich in seinen Nahostreden vorgenommen hat, auch wirklich kann. (Ben Segenreich/DER STANDARD, Printausgabe, 28.7.2009)