Salzburg - Der Vorarlberger sagt "Schmelg", der Schwabe "Feel", der Südtiroler "Gitsche" und der Pinzgauer "Mötzn". Vier Regionen, vier Begriffe, alles deutsch und alle meinen auch dasselbe: ein Mädchen. Oder eben ein "Dirndl", wie es im Salzburger Flachgau heißt. Aber nicht immer sind die Unterschiede derart krass. Gold etwa wird im bayerischen Sprachraum als "Goid" ausgesprochen, das "l" wird also zum Vokal. Bei den Alemannen bleibt es ein Konsonant.

Rund 5500 Beispiele aus 27 Orten der neun deutschsprachigen Arge-Alp-Länder - aus Österreich: Vorarlberg, Tirol und Salzburg - hat der Salzburger Germanist Hannes Scheutz für einen neuartigen Dialektatlas zusammengetragen. Das Werk ist nicht ein in für Laien kaum verständlicher Lautschrift gehaltenes Kompendium, sondern besteht aus Hörbeispielen, die im Internet abrufbar sind.

Die populärwissenschaftlich erläuterten Ergebnisse der Dialekterhebung zwischen Salzburg und Graubünden, zwischen Bayern und dem Trentino werden auch mit einen Generationenvergleich ergänzt. Mit dem Arge-Alp-Projekt seien sprachliche Eigenheiten der Regionen dokumentiert worden, "die vielleicht in einigen Jahrzehnten nicht mehr vorhanden sind".

Scheutz geht es aber nicht um konservative Hege und Pflege: Er möchte mit seinem sprechenden Dialektatlas einer breiteren Öffentlichkeit die Bedeutung der sprachlichen Vielfalt und der kulturellen Wurzeln zugänglich machen. Dialekte seien vollwertige Sprachen und keine "schlampigen oder minderwertigen Ausdrucksformen". Die Hochsprache sei eine Sprache der Distanz, des überregionalen Verkehrs. Der Dialekt sei eine Sprache der Nähe, die sich ständig weiterentwickle.

Fürs Erste einmal bleibt der Atlas auf die Arge-Alp-Mitgliedsländer beschränkt - wie Mädchen im Rest von Österreich heißen, erfährt man vorerst nicht im Netz. (Thomas Neuhold/DER STANDARD, Printausgabe, 28. 7. 2009)