Flughafen Wien

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Dietmar Wiegand: "Es muss eine von Projekten losgelöste Diskussion um öffentliches Bauen und Infrastrukturbereitstellung auf hohem Niveau her."

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Es hat Gründe, warum Großprojekte regelmäßig schiefgehen: Sie wurzeln in einem weder Sachzwängen noch dem öffentlichen Interesse verpflichteten System.

Versuch einer Analyse – Von Ute Woltron

Österreich hat wieder ein paar Bauskandale. Doch wie es in diesem Land üblich ist, erfolgt die Debatte darüber zwar mit großem Getöse, bleibt aber tunlichst an den Fassaden kleben. Wer will schon bis unter die Fundamente graben?

Weder die Politik noch die Bauindustrie haben an einer kühlen Analyse, warum große Projekte wie der Skylink immer wieder im Kosten- und Vergabechaos münden, gesteigertes Interesse. Denn ein unseliges Gleichgewicht der Kräfte hält dieses im Kern kranke System statisch ausgewogen aufrecht.

Große Infrastrukturprojekte wie Flughäfen, Hauptbahnhöfe, Krankenhäuser zu entwickeln und umzusetzen ist ein ausgesprochen schwieriges Geschäft, das nur dann friktionsfrei funktioniert, wenn ein paar grundlegende Voraussetzungen gegeben sind. Es funktioniert dann jedenfalls nicht, wenn die Politik im Hintergrund Bauherr spielen will.

Denn die Politik versteht von diesem Geschäft nichts. Sie sollte die Finger davon lassen und sich auf ihr eigenes Kerngeschäft konzentrieren. Das besteht unter anderem darin, Ziele zu definieren und die besten Fachleute mit der Umsetzung zu beauftragen.

Doch genau an dieser Stelle, noch vor Baubeginn, zeigt sich in der Konstruktion der erste Riss. Wenn die Ziele nicht lauten, etwa die besten Spitäler, Flughäfen, Autobahnen oder Schulen zu bauen, sondern sich bereits in der Konzeptionsphase hauptsächlich damit beschäftigen, welche Unternehmen oder Grundstücksbereitsteller zum Zug kommen sollen, führt sich die Sache ad absurdum.

Dietmar Wiegand ist Professor für Projektentwicklung und Projektmanagement an der Technischen Universität Wien und als Deutscher nicht in dieses österreichische Gleichgewicht der Kräfte eingesponnen. Er sieht die Sache also unbefangen und ortet den Kern des Übels unter anderem im Trend, verstaatlichte oder halbverstaatlichte Unternehmen zu schaffen, diese aber gleichzeitig mit einem privatwirtschaftlichen Auftrag auszustatten.

"Das widerspricht allen volkswirtschaftlichen Theorien. Niemand wird behaupten, dass sich Staatsunternehmen genau dort einbringen sollen, wo der Markt ohnehin funktioniert." Das sei das Thema einer zentralen Debatte, die jetzt auch angesichts der Finanzkrise, der Ressourcenkrise und der Klimakrise auf höchstem Niveau geführt werden müsse, und zwar möglichst schnell. Und da reiche es nicht, so Wiegand, die Diskussion darauf zu beschränken, ob irgendwo Vorstände ausgewechselt werden sollten oder nicht.

Ein Beispiel: "Die Asfinag könnte den Auftrag haben, eine Autobahn zu bauen, natürlich so günstig wie möglich. Doch sie könnte den zusätzlichen Auftrag erhalten, ihren Beitrag zur Baukultur und zur Regionalentwicklung zu leisten." Es mache keinen Sinn, all diese Leistungen in Wirtschaftsförderunternehmen und Baukulturausschüssen zu zerfasern. "Wenn der Auftrag von Anfang an intelligent ist, wird die Sache wesentlich effizienter."

Es könnte den Regierenden beispielsweise auch ein Anliegen sein, die schönsten, ökologischsten und auch neuesten pädagogischen Konzepten entsprechenden Schulen zu bauen. Vielleicht einmal ein herausragendes Case-Study-Projekt nicht nur zuzulassen, sondern auch mit der entsprechenden Begeisterung zu befördern. Doch Österreich ist ganz im Gegensatz dazu eine Nation, die eben beschlossen hat, die Mieten für ihre Schulgebäude zwei Jahre lang nicht zu bezahlen.

Nur wo der Wille dazu ist, findet sich auch der rechte Weg. Doch wo ist der Wille? Oder besser – in welche Richtung deutet der Wille, so er überhaupt erkennbar ist?

Wie undurchdacht und willkürlich hierzulande das elementare Thema Infrastruktur behandelt wird, zeigt prächtig das Beispiel ÖBB vor. Erstaunlicherweise ist etwa nirgendwo gesetzlich festgehalten, nach welchen Kriterien die Bundesbahn mit ihrem enormen – mittlerweile aber bereits ausgedünnten – Immobilienvermögen umzugehen hat. Während beispielsweise im BIG-Gesetz geschrieben steht, dass Immobilien nach öffentlich ausgeschriebenem Höchstbieterverfahren veräußert werden dürfen, kann die ÖBB walten wie es beliebt. Nicht zuletzt der Rechnungshof hat das wiederholt aufs Schärfste kritisiert.

Doch diese Botschaft blieb – aus welchen Gründen auch immer – ungehört. Bei bösartiger Interpretation könnte man argwöhnen, es ändere sich am System deshalb nichts, weil sich auf diese Weise Weichen stellen lassen oder bestimmte Gruppen profitieren. Bei freundlicher Interpretation darf man immer noch behaupten, dass die korrekte Bewirtschaftung des Staatsvermögens Politiker nicht interessiert – oder man es bedauerlicherweise nicht besser weiß.

Stichwort Unbelecktheit: Auch die Architekten- und Ingenieurszene hat streckenweise Nachholbedarf in Sachen Professionalisierung. Es gibt zu wenige ausgebildeter Projektentwickler und Projektmanager. Die TU-Wien versucht dem gemeinsam mit der Immobilienstiftung und über den erst vor zwei Jahren etablierten Lehrstuhl, den Wiegand innehat, einen neuen Impuls zu verpassen.

Wiegand: "Es braucht dringend eine Verbesserung der Ausbildung. Die Studierenden müssen eben auch mit der Tatsache konfrontiert werden, dass ein Grundstück einen Eigentümer hat, der ebenfalls bestimmte Interessen verfolgt, dass Bauen Geld kostet und Investoren aus Geld mehr Geld machen wollen, ob mir das gefällt oder nicht." Das hört die Ziviltechnik freilich äußerst ungern. Das sei zwar bedauerlich, kontert Wigand, aber: "Wenn ich mit dem Geld anderer arbeite, muss ich mich auch mit betriebswirtschaftlichen Fragestellungen beschäftigen und auch in diesem Bereich kreativ sein." Erst die superb ausgebildete Planer- und Konsulentenmannschaft ist des Bauherrn rechter Partner. Doch auch die bringt nichts weiter, wenn der vom Geschäft nichts versteht. Also wird die Architekten- und Ingenieurkammer ab Herbst mit der TU-Wien einen Kurs für Führungskräfte anbieten, wie komplexe Bauvorhaben zu managen sind.

Doch am Ende aller Tage liegt die Letztverantwortung immer beim Bauherrn selbst. Der sollte zuallererst genau wissen, was er eigentlich will. Erst dann sollte er über transparente Verfahren die besten Fachleute für sein Projekt ins Team holen und dafür Sorge tragen, dass das sogenannte technosoziale System innerhalb dieser Mannschaft funktionieren kann wie ein Uhrwerk. Eine alte Bau-Regel besagt: Jeder Handgriff kostet ein paar Tausender. Jeder falsche Handgriff das Doppelte. Fazit: Pfuscher haben weder auf Baustellen, noch auf Chefsesseln und schon gar nicht in politischen Schlüsselpositionen Platz. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25./26.7.2009)