Jörg Immendorf, "Wo stehst du mit deiner Kunst Kollege?", 1973

 

Foto: Schirn

Frankfurt - Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge hat in seinem Tanzschulklassiker Über den Umgang mit Menschen leider nichts zum schicklichen Verhalten auf Vernissagen und Kunstmessen angemerkt. Und also hatten Unternehmen wie American Express die historische Chance zu definieren, was an Umgangsformen zur Veröffentlichung und endlich Ware-Werdung von Kunst angebracht ist. Mit Plastikgold fällt man jedenfalls nicht unangenehm auf, wenn so ein Gemälde der obersten Schicht ausgesetzt wird. Platin gilt dann schon als ungemein höflich.

Derart bewehrt, muss man gar nicht erst anfangen, Byzantinisch zu lernen, um - egal mit welcher - beim Empfang zu Ehren des Dekolieferanten ein gute Figur zu machen. Gold wie Platin nähren die Blase, die den Markt der Bilder und zweckentleerten Gartenmöblage wärmend hüllt.

Aber auch Bares wird ab einer haptisch wie optisch relevanten Bündelstärke gerne als Tauschwert für Acryl, Öl, Bronze oder Diasec (ein Verfahren, um beliebige Fotos sammlerhaushaltstauglich zu pimpen) akzeptiert. Als Auszeichnung gilt die Marke: "Koons" etwa kommt gut am jahrgangschampagnervollen Pool, aber auch die neue Bescheidenheit eines Damien Hirst hat genug Nullen hinten dran, um dem Sammler als stolz erhobenes Glied zu dienen.

Und apropos: Die US-amerikanische Künstlerin Andrea Fraser hat 2002 über die New Yorker Friedrich Petzel Gallery den Kontakt Künstler zu Sammler nicht neu definiert, aber explizit dargestellt: Im Video Untitled wird der Sammler zum (zahlenden) Kollaborateur, schläft mit der Künstlerin vor laufender Kamera und darf die Video-Editionsnummer eins als stolzes Relikt des hochbezahlten Vollzugs sein Eigen nennen.

Ursprung der Welt

Der seitens der Künstlerin als hoch kritisch verstandene Akt kommt sicher gut beim Privatscreening vor den Kollegen aus der Welt des Risikokapitals. Von denen einer vielleicht Tracey Emins I've Got It All zur stimulierenden Präsenz über dem hellbeigen Knautschledersofa angebracht hat. Der Inkjet-Print zeigt die Künstlerin dabei, Papier- wie Kleingeld in den Ursprung der Welt zu stopfen. Und man braucht jetzt nicht unbedingt etwas über Gustav Courbet zu wissen, um erahnen zu können, wo der jetzt wieder liegt.

The Making of Art wird jedenfalls immer komplizierter, und deshalb hat Martina Weinhart als Kuratorin für die Frankfurter Schirn einen kleinen historischen Exkurs zu Praktiken und den je passenden Typen der Kunstproduktion arrangiert. Vielleicht ja, spekuliert sie, befragen Künstler immer dann den Betrieb, der sie nährt, wenn Umbruch angesagt ist, wenn die "Krise" aufzeigt, wenn sonst nichts mehr geht. Dabei hätte doch John Baldessari schon 1971 das Rezept geliefert: I Will Not Make Any More Boring Art lautete der endlos zu wiederholende Satz seiner selbstauferlegten Strafarbeit. Und Joseph Beuys hat 1980 festgehalten: Kunst = Kapital. Daher ist es auch kein Wunder, dass Piero Manzonis in Dosen abgefüllte Merda d'artista regelmäßig Höchstpreise erzielt und anschließend in staubdichten Boxen ihrer Wertsteigerung harrt.

Erwin Wurm ist in der Schau erstaunlicherweise nicht vertreten. Dabei hat doch gerade er John Baldessari beim Wort genommen und den gemeinen Witz auf Messeformat aufgeblasen. Aber egal, dafür ist der Engländer Martin Parr dabei, der die Sache noch einen Deut konsequenter angeht als der österreichische Meister des brachialen Einstiegs ins Kunstwerk.

Parr fotografiert die Besucher und Protagonisten diverser Kunstmessen. Hält fest, wie sie an Gläsern nippen, ihre Handys ans Ohr drücken, mit der Familie vorbeischauen oder andeuten, sich die straffen Wangen zu bussln. Parr hat weniger John Baldessari ernst genommen als das Urprinzip des Wiedererkennungswerts. Womit er fein raus ist, weil man als stolzer Besitzer eines seiner Abzüge jederzeit ungestraft behaupten kann: Er sei ein Künstler, der die Sache auf den Punkt bringe.

So ein Satz braucht nicht weiter hinterfragt zu werden. Man kann gleich zum nächsten Witz übergehen. Etwa zu einem von Jonathan Monk. Der ist Engländer, lebt in Berlin und schreibt etwa auf ein zum Verkauf stehendes Blatt Papier: "Please try and get a discount on this painting. It just isn't worth the money. In fact why not ask for a special two for the price of one deal. It's worth a try. What have you got to lose - nothing."

Das ist natürlich nicht lustig, sondern subversiv. Das rückt den Künstler als Soziologen ins rechte Licht. Als einen, über den sich dann doch wieder ausgedehnt byzantinisch schreiben lässt. (Markus Mittringer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.7.2009)