Gleißendes Weiß überhöht und ironisiert gleichermaßen: Francesco Laurettas "Sonatine" (2005).

 

F.: Massimiliano Di Vincenzo

Salzburg - "La grassa" , "die Fette" , wird es ebenso genannt wie "la dotta" , "die Gelehrte" , oder "la rossa" , "die Rote" : Bologna. Schriftsteller und Filmemacher Pier Paolo Pasolini wurde in der "Fetten" geboren. Den Sohn aus bürgerlichem Haus verschlug es allerdings nach Rom, wo er sich in seinen Geschichten den weniger Privilegierten aus den "borgate" , den römischen Vorstädten, widmete.

"Ich bin eine Kraft der Vergangenheit. In der Tradition allein liegt meine Liebe" , so setzt ein Gedicht Pasolinis an, dem auch der Titel der Ausstellung im Hangar 7 - Una forza del passato - entnommen ist. Und um dieses Pasolini-Zitat von der Kraft des Vergangenen konstruiert sich die Präsentation, die mit zeitgenössischer gegenständlicher Malerei aus Italien den "Mythos von der Unsterblichkeit dieser Kunstform" beschwören will. So weit, so gut.

Komplizierter wird es, als im Konzept auch noch ein "geografischer Ausgangspunkt" der Schau ins Spiel kommt:Mailand, der Hotspot zeitgenössischer Kunst. Dieser spielt weiters keine sonderlich große Rolle, sondern ist lediglich der Start einer Route durchs ganze Land: hinauf nach Norden und hinunter in den Süden, irgendwie einer Idee der italienischen Gegensätze folgend. Und über die dabei eingesammelten jungen und relativ gefälligen künstlerischen Positionen kommt man dann wieder zurück zur einenden Stärke der Malerei, zur malerischen Tradition mit der "forza del passato" .

"Ich werde nicht als Erfinder stilistischer Formeln geschätzt, sondern für den Grad an Intensität, den ich durch die Vermengung und Vermischung der Stile erreiche" , wird Pasolini abermals zitiert und der Begriff des Eklektizismus eingeführt. Denn der Stilreichtum - gespeist aus allem Davorgewesenen - ist es, aus dem die Jungen schöpfen. Gianni Romano entwickelt im Katalog zur Ausstellung ein Bild von Malern, die künstlerisch betrachtet quasi die Gnade der späten Geburt genießen. Von Künstlern, die also in den 1990er-Jahren zu malen begonnen haben, als dieses Territorium von der Konzeptkunst längst zurückerobert war und auch der Neo-Expressionismus allmählich in Rente ging: Gabriele Arruzzo und Allessandro Ceresoli, Francesca Pizzo und Sibylle Trafoier heißen einige dieser Glücklichen, die nonchalant "Vergangenes und Gegenwärtiges zusammenzufügen und das Wirkliche als rätselhaftes Novum zu präsentieren" wissen.

Man kann aber auch direkt über Los gehen! Was heißt: Man kann einfach ohne Umwege ihre Arbeiten betrachten - die sind übrigens immer besser von den PS-Bomben im Hangar 7 abgeschirmt - und die Vielfalt der Zugänge genießen, Favoriten entdecken:

Zum Beispiel Francesco Lauretta (Florenz), der vermeintlich alltägliche Szenen aus der sizilianischen Provinz in Malerei übersetzt. Wäre da nicht dieses gleißende Weiß der Hemdskrägen und Häuserfassaden, das das fast fotorealistisch Festgehaltene in abstrakte Mosaike zersprengt. Oder die Sprenkel, die von einer explodierenden Farbdose am Rande einer gediegenen Prozession herrühren und alles in ein surreales Licht tauchen. Kniffe, die das Dargestellte mit einer ironisch-kritischen Schicht an Tradition und Politik der alten Heimat überziehen.

Oder Pietro Ruffo (Rom), der mit Aquarell und Tusche sensible Porträts "collagiert" , sie mit Landschaften und Themen verwebt. Ruffo schichtet die Ebenen seiner Erzählungen über- und nebeneinander oder verleiht ihnen, zusammengefügt aus bemalten Papierrollen, Plastizität. Valentina D'Amaro (Mailand) glättet Flur und Wald, spannt sie in ein Netz strikter Linien und reduziert auf monochrome, künstliche Grüntöne. Während bei ihr vertraute Landschaften bedrohlich wabernd ins Surreale kippen, entführt Francesco de Grandi (Palermo) in realistischer Manier in albtraumhafte Sümpfe.  (Anne Katrin Feßler/DER STANDARD, Printausgabe, 22. 7. 2009)