Sieben Baracken des Lagers stehen heute noch.

Foto: Dohle

Salzburg - "Wenn von den ,Glasenbachern' die Rede war, war das irgendwie etwas Besonderes und Geheimnisvolles", erinnert sich Oberösterreichs Landtagspräsidentin Angela Orthner (ÖVP) an ihre Jugendzeit. Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) kann sich erinnern, von den "Glasenbachern" als "Opfer" gehört zu haben.

Die "Glasenbacher", das waren jene insgesamt etwa 20.000 Menschen, die zwischen 1945 und 1947 das "Camp Marcus W. Orr" - durchlaufen haben: von den US-Amerikanern aufgegriffene ehemalige SA- und SS-Angehörige, Lokalpolitiker der NSDAP und Wehrmachtssoldaten, die verdächtigt wurden, an Kriegsverbrechen beteiligt gewesen zu sein. Das Camp wurde im Volksmund nach der nächstgelegenen Bahnstation Glasenbach genannt. Die "Glasenbacher" wirkten maßgeblich am Aufbau des "dritten Lagers" in Österreich mit - einer von ihnen war der spätere FPÖ-Chef Friedrich Peter.

Sich selbst überlassen

Am Dienstag präsentierten die Landesarchive von Salzburg und Oberösterreich nun die erste Buchpublikation, die sich mit diesem Lager am Stadtrand von Salzburg beschäftigt. Die beiden Autoren Oskar Dohle und Peter Eigelsberger hatten dafür hunderte Archivkartons durchforstet und Gespräche mit den letzten verbliebenen Zeitzeugen geführt.

Auf 440 Seiten zeichnen die beiden Historiker ein detailliertes Bild von der Entstehung und Geschichte des Lagers sowie den alltäglichen Lebensverhältnissen dort. Auch die Zeitzeugengespräche sind vollständig wiedergegeben. Auf eine Darstellung der weiteren Biografie von Lagerinsassen habe man dagegen bewusst verzichtet, sagt Oskar Dohle im Gespräch mit dem Standard. Das Buch könne aber als Basis für eine weitere Aufarbeitung dienen.

Klar sei jedenfalls eines, sagt Dohle: "Eine Entnazifizierung fand im Lager Glasenbach schlicht nicht statt." Im Gegenteil - durch den gemeinsamen Aufenthalt im Lager hätten sich wichtige Seilschaften zwischen hochrangigen Nazis und jugendlichen Mitläufern gebildet. "Natürlich fühlten sich diese Menschen ungerecht behandelt", sagt Mitautor Peter Eigelsberger: "Sie kannten keinen Haftgrund und kein Entlassungsdatum." Im Lager wurden sie bei verhältnismäßig komfortablen Haftbedingungen weitgehend sich selbst überlassen und konnten ihre Weltanschauung bis zur Entlassung weiter pflegen. (Markus Peherstorfer, DER STANDARD Printausgabe, 15.07.2009)