Wenn das Fernsehen allen hilft: ratsuchenden Häftlingen,
Arbeitssuchenden, Restaurantchefs, Familien, Nachbarn ...

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... Problemschüler, Erzieher, Abnehmwillige. Zuschauer schätzen schnelle Lösungen, RTL bringt sie.

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Tom Sänger, Unterhaltungschef bei RTL.

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STANDARD: Heftig diskutiert wurde zuletzt die Dokusoap "Erwachsen auf Probe". Nützte oder schadete sie RTL?

Sänger: Ich habe mit Kritik gerechnet, doch nicht mit so viel unreflektierter Kritik. Viele haben die Sendung als Trittbrett für Eigen-PR benutzt. Wir haben aber auch viel positives Feedback bekommen, sämtliche Strafverfahren sind eingestellt.

STANDARD: Werbekunden waren wohl verunsichert?

Sänger: Die Buchungen legen wieder zu. Es war relativ viel Lärm um nichts.

STANDARD: Dann hätte nichts Besseres passieren können?

Sänger: Das könnte man meinen, ich sage aber: Jein. So eine Öffentlichkeit will ich nicht, suche sie auch nicht.

STANDARD: RTL setzt intensiv auf gescriptete Dokusoaps mit Laiendarstellern. Wieso mit Drehbuch?

Sänger: Bestimmte Situationen können wir nur gescriptet darstellen. Wenn jemand bei Verdachtsfälle in Untersuchungshaft kommt, können wir dort nicht drehen.

STANDARD: Und wozu Laiendarsteller?

Sänger: Um Privatsphäre und justiziable Zusammenhänge zu schützen. Wir achten darauf, dass die Laienschauspieler in ihrer Biografie in irgendeiner Form eine Berührung mit dem Konflikt haben. Das wirkt sehr authentisch.

STANDARD: Es wirkt doch alles sehr gekünstelt?

Sänger: Würde man denken. Wir haben mehr als ein Jahr Entwicklung in die Dokusoaps gesteckt und sind stolz darauf, wie authentisch und nah wir bei den Menschen sind. Ein klassisches Beispiel ist zum Beispiel eine Geschichte aus Verdachtsfälle: Eine enttäuschte Exmitarbeiterin behauptet, ihr Chef habe ihre Tochter angefasst. Geht es da um ein Delikt oder um üble Nachrede?

STANDARD: Oft lässt sich weder das eine noch das andere eindeutig beweisen?

Sänger: Wir bieten natürlich eine Lösung und suchen, die Geschichte positiv zu beenden. Das ist wichtig. Wir wollen die Zuschauer nicht enttäuscht alleine lassen.

STANDARD: Fernsehen übernimmt immer öfter Beratertätigkeiten. Kann es einlösen, was es verspricht?

Sänger: Fernsehen bietet Orientierung. Das ist ein Grund für den Erfolg, denn der Zuschauer erhält Anknüpfungspunkte.

STANDARD: Das richtige Leben bietet selten Lösungen in 25 Minuten.

Sänger: Auch Beratungsstellen sollten an einer positiven Lösung interessiert sein.

STANDARD: Hat die Sehnsucht nach klaren Lösungen mit der Krise zu tun?

Sänger: Ich denke, es ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wichtig, den Leuten eine positive Zeit zu bereiten, wenn sie den Fernseher einschalten. Sie schalten ihn zur Zerstreuung ein.

STANDARD: Dann sind Dokusoaps die Formate der Krise?

Sänger: Die Programme sind auch schon in besseren Zeiten gut gelaufen. Wir haben hoch relevante Themen und dadurch Lebensnähe. Was auch zählt, sind Persönlichkeiten: Restauranttester Christian Rach, die Supernanny Katharina Saalfrank sind starke Charaktere.

STANDARD: Haben Sie selber schon Rat gesucht und gefunden in einer Dokusoap?

Sänger: Hätte ich Kinder, wüsste ich mich gut darauf vorzubereiten. Ich bin überzeugt davon, dass eine Folge Supernanny so lehrreich sein kann wie eine gute Beratung von offizieller Stelle. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 11./12.7.2009)