45 Meter über der türkischen Ägäis liegt das Hotelgebäude des Select Maris mit Blick auf eine der schönsten Buchten der Welt.

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Foto: ham/derStandard.at

Es gibt etwas auf der türkischen Halbinsel Datça die, westlich von Marmaris gelegen, Ägäis und Mittelmeer voneinander trennt, das der Kreativität förderlich zu sein scheint. Vielleicht sind es die 300 Sonnentage im Jahr, oder es liegt an der außergewöhnlichen Zusammensetzung der Luft: Datça ist weltweit auf Platz drei der sauerstoffreichsten Gegenden.

Trocken ist es hier und sauber, da dank des umgebenden Wassers ein steter Austausch stattfindet. Auf jeden Fall aber wirkt sich die Insel auf manche Menschen wie ein Katalysator aus. Etwa auf Dieter Schenk, Direktor des Select Maris Resort, der hier eine Kombination aus deutscher Gründlichkeit und südländischer Lässigkeit auslebt und dabei ein Konzept für die Insel entwickelt, das dem Massentourismus entgegenwirken soll.

"Elements of Datça" nennt sich sein Projekt, das zu Beginn weder auf Verständnis noch auf Begeisterung oder Liebe stieß und dem, nach einiger Überzeugungsarbeit, heute neuen Mitglieder angehören. Sie alle zeichnet eine Gemeinsamkeit aus: Abheben von der Masse, Individualität, höchste Qualität und das Bekenntnis zu Datça als eine besondere Region der Türkei. "Wie wollen keine Massentourismusdestination sein. Schon durch die einmalige Landschaft und die klimatischen Qualitäten ist die Halbinsel eine Besonderheit. Mit unserem Projekt wollen wir das noch verstärken", sagt Schenk und muss dann leider schnell telefonieren und im Anschluss zu einem Meeting. Dann hat er noch eine Besprechung mit dem Koch und eine halbe Stunde Zeit, um sich für das Abendessen umzuziehen. Schenk ist immer und überall, steht ständig unter Strom und wirkt dabei völlig entspannt und unbeeindruckt von dem Stress, dem er sich selber aussetzt.

Im Ernstfall die Zunge abschneiden

Aber schon vor dem umtriebigen Hoteldirektor gab es Menschen hier, die mit viel Ehrgeiz und Phantasie versuchten, die Lebensqualität zu steigern und die Halbinsel davor zu bewahren, überrannt zu werden. Datça blickt auf eine lange Geschichte zurück. Auf die Karer folgten die Dorer, die im ersten Jahrtausend v. Chr. hier ihrer Liebe zu Kunst und Wissenschaft nachgingen. Die nackte Aphrodite des Parxiteles, die die antike Welt mit ihrer selbstbewussten und vor allem unbekleideten Pose schockierte, stand hoch über dem Hafen von Knidos im Süden Datças. 546 v. Chr. kamen die Perser und sorgten für Angst und Schrecken unter den, nach der Stadt Knidos, Knidier benannten Inselbewohnern und damit auch für einen kreativen Plan zur Verteidigung der Landzunge. Die schmalste Stelle der Halbinsel beträgt 1,5 Kilometer und befindet sich in der Nähe des Festlandes. Hier begannen die Knidier damit, einen Kanal in den harten, kantigen Fels zu schlagen, um Datça damit abzuschneiden und den Persern den Zugang unmöglich zu machen. Zahlreiche verletzte Arbeiter und eine Befragung des Orakels von Delphi führten letztendlich dazu, die Arbeiten einzustellen und sich den Persern zu unterwerfen.

Heute steht die gesamte Halbinsel unter Naturschutz, strenge Bauauflagen schützen Datça davor, sich in eine Hotelwüste zu verwandeln, die nur noch Touristen und irgendwann nicht einmal mehr diesen ein Paradies ist. Das Select Maris Resort war ursprünglich ein Robinson Club und bildet mit 250 Zimmern die Ausnahme. Rund um das Hotel ist nichts - oder alles. Kein Hotel, kein Industriegebäude, kein Kraftwerk und keine Straße sind zu entdecken, ringsum existiert nur die Stille der nächstgelegenen Inseln und eine Bucht, die zu den schönsten der Welt gehört. Dank der strengen Bauauflagen wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern. Man hat offensichtlich aus den Fehlern, die in anderen touristischen Gebieten der Türkei begangen wurden, gelernt und hat eine langsamere Gangart eingelegt.

Freundschaftliche Ergüsse

Die Nähe zu den griechischen Inseln, Symi und Rhodos sind in Sichtweite, sorgt offensichtlich auch für einen entspannten Umgang miteinander. Jedes Jahr treffen sich Griechen und Türken an der Südspitze von Datça, wo Mittelmeer und Ägäis ineinander übergehen. Von beiden Seiten kommen die Mensche schwimmend und mit Krügen ausgestattet, um symbolisch das Wasser des einen Meeres in das jeweils andere zu leeren. Ein Zeichen von Verbundenheit, das über politische Interessen erhaben ist. Man besucht sich, auch wenn es mit Komplikationen wie Visa-Beschaffung verbunden ist, man verliebt sich, heiratet und bekommt Kinder. Hier ist von der Feindschaft, die zwischen den beiden Nationen herrscht, nichts zu spüren.

Viel lieber investieren die Einwohner ihre Zeit in eine Tasse türkischen Tees, begleitet von einem angeregten Gespräch am Markt von Datça, dem wichtigsten Ort der gleichnamigen Insel. Überall gibt es kleine Kostproben von türkischem Honig, der sich weich und dezent süß an den Gaumen schmiegt. Über dem Markt liegt der Duft der Mittelmeerkräuter. Kräuter, die auch im Restaurant "Cullinarium" zum Einsatz kommen, das Mitglied bei "Elements of Datça" ist. Ulrike aus Deutschland und Faruk aus Datça führen das Restaurant gemeinsam und bringen moderne, leichte und natürliche Küche auf die Tische. Die stehen auf der Sonnenterrasse des von Grund auf renovierten Lokals mit Blick auf den Hafen. Dort ankern auf Hochglanz polierte Gulets, luxuriöse Motorsegler mit allem Komfort, und warten darauf, die "Blaue Reise" fortzuführen. Entlang der Küste von Datça umsegeln diese Hotelschiffe die unzähligen Buchten der Halbinsel und steuern Plätze an, die auf dem Landweg kaum oder gar nicht erreichbar sind. In Datça machen sie Zwischenstopp und glänzen mit ihren polierten Holzblanken im Hafen um die Wette.

Schmuckes Kleinod für Betuchte

Luxus ist auch die Basis eines Hotels, das einzigartig auf der gesamten Halbinsel ist. Das Mehmet Ali Aga Mansion, ebenfalls Teil von "Elements of Datça", versetzt jeden, der es zum ersten Mal sieht, in fassungsloses Staunen. Das heutige Boutique Hotel stammt aus dem Jahr 1809 und war ursprünglich die Privatunterkunft der Familie Tuhfezade, die 200 Jahre lang eine der einflussreichsten Familien Datças war. Die Restaurierung ihres ehemaligen Anwesens geschah mit höchstmöglicher Sensibilität und Zurückhaltung. Mit Hilfe traditionellen Handwerksmethoden wurden die Ornamente an Decken und Wänden, die Steinböden und die antiken Möbel wieder in Stand gesetzt.

Dank dieser Behandlung ist das Hotel heute ein beeindruckendes Beispiel für die Architektur türkischer Privatanwesen einflussreicher Handelsfamilien des 19. Jahrhunderts. Sind die "gewöhnlichen" Zimmer schon eine Besonderheit, mit im Schrank verstecktem Badezimmer und original erhaltenem Mobiliar, so ist das Schmuckstück des Hotels der "Main Room". Ein architektonisches Juwel von unschätzbarem Wert mit feingliedrigen Holzverzierungen, phantasievollen Wandbemalungen, reichhaltiger Dekoration und antiken Möbeln und sehr bewusst gewählten Alltagsgegenständen wie Telefon oder Spiegel. Der Preis für die Übernachtung im Main Room entspricht der luxuriösen Ausstattung und sprengt in der Regel das Urlaubsbudget eines Durchschnittstouristen.

Mindestens so beeindruckend wie Hotels selbst ist die verwinkelte Gartenanlage mit schattigen Bänken und duftenden Blumen. Alten Bäume blieben erhalten und strecken jetzt ihre Äste schützend über den frisch gepflanzten Nachwuchs. Hier herrscht absolute Stille, absolute Ruhe und jeder Stein, jedes Blatt atmet die Geschichte einer Region der Türkei die, dank des Einsatzes seiner Bewohner, auch noch in Zukunft in ihrer ursprünglichen Schönheit und Wildheit erhalten bleiben wird. Und die Raum lässt für die elementaren Dinge des Lebens. (Mirjam Harmtodt/derStandard.at/15.7.2009)