Der gebürtige Tiroler Norbert Kettner (42) ist seit 2007 Direktor des Wiener Tourismusverbandes.

 

 

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Diese sei in der Gay Community ohnehin überaus beliebt, sagte er zu Petra Stuiber.

Standard: Glauben Sie, dass "Brüno" Auswirkungen auf Österreichs Tourismus haben wird?

Kettner: Nein. Wien und Österreich sind ja nur ein Side-Aspekt. In "Brüno" geht es um Homophobie, Homophilie und alle Arten von Klischees und Vorurteilen gegenüber Homosexuellen.

Standard: Wenn sich aber Alfons Haider in britischen Medien als "Vorbild für Brüno" outet, bringt er Österreich ja damit sehr wohl ins Gespräch.

Kettner: Aus Sicht der Tourismuswirtschaft hat er jedoch perfekt geantwortet, indem er klar gesagt hat, dass dieses Bild, das Brüno zeichnet, nichts mit dem wahren Österreich und dem wahren Wien zu tun hat. Wenn sich aufgrund des Medien-Hypes um diesen Film und seine Klischees mehr Menschen für uns als Urlaubsdestination interessieren, soll es mir recht sein.

Standard: Aber es kann Ihnen doch nicht recht sein, dass Wiens Image zwischen Sisi-Kitsch, Schwulen-Klischees, Kellerverlies-Witzen und Nazi-Land mäandert?

Kettner: Alle Klischees stimmen und stimmen nicht. Das Gesamtbild einer Stadt ist in den seltensten Fällen von den eigenen Anschauungen geprägt, sondern meist von medialen Bildern. Die Zuspitzung von Botschaften bringt immer Klischees mit sich.

Standard: Was halten Sie persönlich vom Film?

Kettner: Ich habe ihn noch nicht gesehen, er ist bestimmt etwas zum "Fremdschämen", wenn man sieht, wie die Leute reihenweise auf Cohen als Brüno reinfallen. Und schon aus diesem Grund will ich nicht Teil einer kalkulierten Erregung sein. Wenn ich mir anschaue, wie empört Kasachstan auf Borat reagiert hat - damit wurden genau jene Klischees bestätigt, die im Film behauptet wurden. So naiv muss man einmal sein, dass man in diese Provinzialismusfalle tappt.

Standard: Sie könnten ja den Medien-Hype nutzen, um die Stadt als Tourismus-Mekka für Homosexuelle zu präsentieren.

Kettner: Genau das würde nicht klappen. Wir sind Wien, nicht Mykonos. Wien ist bei der homosexuellen Zielgruppe, die der Wien Tourismus seit 1997 umwirbt, wegen anderer Dinge sehr beliebt. Zu uns kommen schwule und lesbische Paare mit sehr hohem Einkommen, die sich vor allem für Kultur interessieren und im Schnitt um dreißig Prozent mehr ausgeben als die meisten anderen Besucher. Wien ist die Stadt Sigmund Freuds, eine Stadt der Brüche, das macht uns so interessant. Nicht das Mekka der Party-Generation.

Standard: Aber die größte Party Wiens, der Life Ball, hat wohl auch seinen Appeal für diese Klientel?

Kettner: Durchaus. Das hat einiges befördert. Man darf nicht vergessen: Wien ist nach London die zweitbeliebteste Städte-Destination in der deutschen Gay Community.

Standard: Also ist ein Film wie "Brüno" dem Image weniger abträglich als etwa fremdenfeindliche Wahlslogans?

Kettner: Es steht mir nicht zu, hier zu politisieren. Aber es gibt sicherlich hunderte Dinge, die schädlicher sind als der Film, den ich mir übrigens ganz sicher anschauen werde. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.7.2009)