Guerilla Gardener machen sich die Finger schmutzig, um die Stadt schöner zu machen

Foto: Kampolerta

Ihre Waffen sind Gummistiefel, Saatbomben und Schaufeln

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Die Gruppe Kampolerta hat zum Beispiel Rollrasen auf Autodächern ausgebreitet,...

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...leerstehende U-Bahn-Aschenbecher begrünt...

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...oder Blumentröge in Gemeindebauten wiederbelebt

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Wenn die Mitglieder von Kampolerta ihre Bomben werfen, gibt es im besten Fall bunte Blütenexplosionen. Denn die Waffen der 24 Botanik-Partisanen sind Samen, Erde und Schaufel. "Stadt und Natur müssen sich nicht ausschließen", sagt Sergio, ein Kampolerta-Mitglied. Das Kollektiv aus LandschaftsarchitektInnen will neue Sichtweisen auf den öffentlichen Raum ermöglichen und betätigt sich daher unter anderen als Guerilla Gardener. Seit Anfang der 70er-Jahre sind "wilde Gärtner" in Großstädten unterwegs und bekämpfen das triste Grau aus Beton, Müll und Parkplätzen mit der Kraft der Natur. Die Aktionen sind nicht immer legal, denn eigentlich darf nur wer eine Genehmigung der Stadt hat, auf öffentlichen Plätzen etwas anpflanzen. Mittlerweile organisieren sich die Gruppen mit Hilfe des Internets.

Die Blume im Gemeindebau

"Aus unserer Sicht ist das kein Vandalismus", sagt Michael, Gründer der Gruppe, während des monatlichen Jour fixe in einer begrünten Baulücke im 17. Wiener Gemeindebezirk, bei dem neue Pläne für kommende Aktionen geschmiedet werden. Eine Verschönerungsakation haben die LandschaftsarchitektInnen zum Beispiel im Schöpfwerk durchgeführt. Unter dem Motto "Mauerblümchen" haben sie ehrenamtlich die vernachlässigten Betonbeete neu bepflanzt. "Wir wollten die BewohnerInnen dazu animieren, selbst die Initiative zu ergreifen und den Raum vor ihrer Haustür zu nutzen", sagt Lena. Die Initiative ist von den Schöpfwerk-AnrainerInnen gut aufgenommen worden, die Gemüsepflanzen wurden weiter gehegt, gepflegt und geerntet.

Neben Häusern sind die Mitglieder von Kampolerta auch auf Straßen und in den Öffentlichen Verkehrsmitteln aktiv. Im Zuge des Projekts "Phönix" habe sie die nun ungenutzten Aschenbecher in der Wiener U-Bahn mit Blumen bepflanzt. Ein andermal haben sie Rasen auf Autodächern ausgerollt. Dadurch wollten sie thematisieren, dass immer mehr Fläche für Parkplätze genutzt wird, und es immer weniger Grünfläche gibt. "Der Unterschied zu Community Gardening, also der Pflege eines gemeinsamen Gartens ist, dass Guerilla Gardening unterschwelliger ist und wir meistens nicht um Erlaubnis fragen", sagt Michael.

"Alle wollten Bomben haben"

In Berlin ist zum Beispiel gerade "Moos-Graffiti" unter den grünen Guerillas beliebt. Dazu wird eine handvoll Moos in den Mixer geben, zwei Tassen Buttermilch oder Joghurt, ein halber Teelöffel Zucker und Wasser beigemischt. Mit der Flüssigkeit können Nachrichten auf Gebäude geschrieben werden. "Kampf dem tristen Beton ja, aber nicht auf Kosten der Bausubstanz", sagt Lena. Die Kampolertas wollen verschönern, nicht zerstören. Im Prinzip ist Renate aber von der Idee begeistert: "Da kann man zu einer Art grünem Christo werden. Verhüllen mit Moos."

Im Gegensatz zu vielen anderen Guerilla Gardening-Gruppen gehen Kampolerta jedoch selten heimlich vor. Die PassantInnen sollen miteingebunden werden. Daher wurden im Juni im fünften Wiener Gemeindebezirk sogenannte "Seed Bombs" auf der Straße gebastelt und musiziert. Seed Bombs bestehen aus Lehmerde, Kompost und Samen. Die Masse wird mit Wasser angerührt, geformt und getrocknet. Wenn Regen dazu kommt, sprießen die Samen. "Das schaut ein bisschen wie Weihnachtskekse aus", sagt Lena. Die BewohnerInnen des fünften Bezirks waren neugierig, meint Lena: "Es herrschte reger Andrang, alle wollten Bomben haben."

Sein Viertel selbst gestalten

Zentraler Organisationspunkt der Guerilla Gardener weltweit ist das Internet. Die meist besuchte Seite ist GuerillaGardening.org und wird vom 32-jährigen Londoner Richard Reynolds betrieben. Er ist seit fünf Jahren als Guerilla tätig und hat mit "Guerilla Gardening. Ein botanisches Manifest" die Standardlektüre zum Thema vorgelegt. Darin beschreibt er die Geschichte der Bewegung und gibt Tipps, wie man das eigene Viertel am besten selbst umgräbt. Man müsse keinen eigenen Garten besitzen, wenn man gärtnern will, meint Reynolds. "Ich warte nicht auf eine Genehmigung. Ich grabe überall, wo ich gärtnerisches Potential sehe", bringt er es auf den Punkt. Ein Guerilla Gardener bemühe sich deshalb nicht um die Erlaubnis des Landbesitzers, da er/sie niemandem schadet. "Wozu also eine Erlaubnis einfordern, die womöglich nicht erteilt wird", argumentiert Reynolds.

Ein Blick auf die Homepage zeigt: Im Kampf gegen die Verwahrlosung und Tristesse ihrer Viertel kennen die GärtnerInnen keine Grenzen ihrer Kreativität. Da blühen Sonnenblumen auf Verkehrsinseln, brache Flächen werden mit Blumenzwiebeln "vermint" oder es wachsen Zucchinis auf Baustellen. Die Motive fürs wilde Gärtnern sind unterschiedlich. Einigen geht es um politische Aussagen, sie pflanzen zum Beispiel Disteln auf Golfplätze, Brennnesseln in Parks von Wirtschaftsunternehmen mit schlechtem Ruf oder stören Gentechnik-Freilandversuche durch heimliches Zwischensäen von natürlichen Pflanzen. Anderen geht es um die Verschönerung ihres Stadtteils, Meinungsfreiheit oder Gefühl der Zusammengehörigkeit in der Nachbarschaft zu stärken.

Gegen den Hunger

Die erste dokumentierte Geschichte eines Guerilla Gärtners stammt aus dem England des 17. Jahrhunderts und hat sozialpolitische Hintergründe. Der verarmte Stoffhändler Gerrard Winstanley ging mit zivilem Ungehorsam gegen den Hunger vor und forderte zum illegalen Bepflanzen von brachliegender Fläche auf. Das Prinzip ist auch heute noch gültig: Wer sein eigenes Obst und Gemüse anbaut ist unabhängig von Lebensmittelpreisen und kann selbst bestimmen, wie gesund er oder sie sich ernährt. Bevorzugt werden hier aber die Plätze, die von den Autoabgasen entfernt liegen. In den westlichen Städten geht es weniger um Überlebensstrategie, sondern um "eine symbolische Geste, um den Beweis, dass ein Leben unabhängig von landwirtschaftlichen Konzernen möglich ist", schreibt Reynolds.

Der Guerilla Gardener hat zwei Feinde: Mangel und Verwahrlosung", schreibt Reynolds. Die AktivistInnen wollen vor allem auch verantwortungsvoller mit der Erde umgehen - Gartenarbeit sei ein Schritt in die richtige Richtung. Die Mitglieder von Kampolerta bleiben dabei realistisch. Die Baulücke, in der sie ihre Sommertreffen abhalten, wird 2010 wieder geschlossen. "Das ist so in einer Stadt, Wohnungen werden gebraucht. Aber es ist gut, wenn solche Flächen zumindest temporär begrünt und genutzt werden können", sagt Lena. (Julia Schilly, derStandard.at, Juli 2009)