Franz Erhard Walthers Samtkissen von 1963 - in Interaktion - bei Bawag Contemporary.

Foto: Galerie Wolff

Wien - Stehen und schreiten: "Das ist eine sehr einfache Artikulation - zeitlich und räumlich" , stellt Franz Erhard Walther fest, während er in einer seiner Zwei Schreitbahnen (1975) unter dem Klimt'schen Beethovenfries steht. Dann führt der deutsche Konzeptkünstler, geboren 1939, vor, wie er sich das Agieren in den Stahl-Segmenten vorstellt: drei Halbschritte seitwärts, dann ein Schritt aus der Bahn heraus, um den Steg herum ins nächste korrodierte Segment steigen. Eine geradezu minimalistische Partitur und im Idealfall ein Tänzchen mit Partner, wenn das Gegenüber in der zweiten Schreitbahn in die Komposition einwilligt.

Das, was hier minimale Skulptur zu sein scheint, ist im Werk von Franz Erhard Walther eigentlich Nebensache, Hilfsmittel. Sobald Interaktion stattfindet, ist dies der Sockel für eine lebendige Skulptur. Was zählt, sind Körper, Zeit und Raum als Material - erfahrbar gemacht über den Betrachter, den handelnden und reflektierenden "Mittäter" . Es war Walther, der in den 1960er-Jahren begann, die Trennlinie zwischen Publikum und Werk aufzuheben. Das war seine Art, den Tod des Autors zu vollziehen. Das macht ihn in der Ausstellung, die provokativ The Death of the Audience in Aussicht stellt, zu einer Schlüsselfigur. Außerdem eignet sich Walther als Ausgangspunkt für Ausflüge in die übel theorielastige Schau. Die spätere Stil-Ikone Marie Antoinette wird als jugendliche, vorrevolutionäre Schirmherrin in die revolutionäre White-Cube-Architektur des Jugendstils gebettet.

Walther ist hier einer der zahlreichen Professional Outsiders aus den Jahren 1960 bis 1980, die der französische Kurator Pierre Bal-Blanc zusammengestellt hat - abseits stehende, auch geografisch, wie etwa Sanja Iveković oder Július Koller, oder zumindest solche, die die Werkproduktion vor das Exhibitionieren der eigenen Person stellten. Oder jene, die eine kritische Distanz zur Kunst ihrer Zeitgenossen wahrten: Bernard Bazile öffnete - skeptisch und das Tabu des unantastbaren Kunstwerks brechend - Piero Manzonis mit Künstlerkot gefüllte Konservendosen.

Zurück zum einst abseits abstehenden und seit der Documenta 8 immer wieder neu entdeckten Franz Erhard Walther: "Handlungen mit Werkstücken künstlerische Bedeutung zu geben ist für mich ein bewegender Gedanke, für die Kunstwelt eine gänzlich abgelegene Konzeption. Die Düsseldorfer Künstler, allen voran Joseph Beuys und Conrad Lueg, überziehen meine Handlungsformen mit Häme" , schreibt Walther im Jahr 1964 neben eine Zeichnung.

Hunderte dieser präzis gezeichneten und tagebuchartig notierten Lebensmomente hängen als Faksimile derzeit bei Bawag Contemporary. Hier ist Walther kein "Outsider" , sondern Teil der Reihe Young & Reckless. Ein Umstand, über den Walther lacht und auf den er zugleich stolz ist: Die Vehemenz, mit der junge Künstler auf seine Arbeit reagieren, würde zeigen, welch "enorme Brisanz es heute noch hat, Körper, Zeit und Raum zum Material zu machen" .

Seine Zeichnungen bescheren ein Wiedersehen mit vielen Werkstücken, auch mit einer kleinen, angestrichenen Matratze auf Rollen, einem beweglicher Sockel, der im Sommer 1963 zu " einer allseits belächelten Sensation" an der Düsseldorfer Akademie wurde. Diese hat eine Schwester im Geiste: Robert Breers Tableau steuert ebenso automatisch durch die Secession wie seine Moving Wall, die auf diese Art die Horizonte zwischen den Ausgestellten wahlweise verengt oder erweitert. Oder ein wenig Nähe zum Betrachter herstellt? (Anne Katrin Feßler/DER STANDARD, Printausgabe, 8. 7. 2009)