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Salzburg - Tanz behandelt immer wieder das Erleben von Zeit; Choreografie wird als "Organisation von Dingen in der Zeit" (William Forsythe) definiert. Die indische Choreografin Padmini Chettur setzte sich in ihrem beim Salzburger Sommerszene-Festival uraufgeführten Stück Beautiful Thing 1 mit den Zeitkonzepten zweier Kulturen auseinander.

Chettur spielt mit der Langsamkeit; wie mit Zeit umgegangen wird, ist - auch - eine politische Frage. Dabei gilt grundsätzlich: Unterhaltung, die Zeit vertreibt, ist tendenziell autoritär; Arbeiten, die ihrem Publikum Zeit lassen, sind demokratisch - und nicht immer willkommen. Denn manchem wird darin langweilig.

Langeweile kann ein Fluch sein, bei Chettur ist sie ein Geschenk. Sechs Frauen treten vor ihr Publikum, geben in Stichworten Informationen über sich und ihren Auftrag im Stück preis. Während dieser Textchoreografie beginnen sie, das Zeiterlebnis des Publikums umzubauen, es zu entschleunigen. Und das nicht als wellnessfördernder Meditationskurs, sondern in einer schmerzlichen Dramaturgie, die allfällige Entertainment-Entzugserscheinungen nicht betäubt, sondern spürbar macht.

Magisches Doppelspiel

Vor allem in Maarten Vissers gedehnten, gebrochenen Klangräumen, deren Bewegungen sich mit jenen der Tänzerinnen zu einem erst nüchternen, dann magischer werdenden Doppelspiel verbinden: Das Geschenk der langen Weile wird zu einer Einladung an die Zuschauer, sich in diesem Spiel mit zu entschleunigen. Dieser mit eisernem Willen vorgetragene Widerstand gegen den neoliberalen Geschwindigkeitsrausch ist zwar keine Erfindung von Chettur, wohl aber die Art, wie sich gestische Motive durch die Körper der Tänzerinnen bewegen. Die Sprache ihrer Hände nehmen auf eine ganz besondere und gelassene Art Abstand von beiden Kulturen, auf die sie sich beziehen.

Zeitgenössischer Tanz ist in Indien eine noch ganz seltene Erscheinung. Preethi Athreya ist seit 1999 Tänzerin bei Padmini Chettur - die wiederum zehn Jahre lang bei der 2006 verstorbenen indischen Tanzkoryphäe Chandralekha aufgetreten ist.

Athreya präsentiert am  Freitag im Salzburger Republic eine eigene Arbeit: Porcelain wird am 19. und 22. Juli auch bei Impulstanz in Wien zu sehen sein. Diese Arbeit mit dem Porcelain Project der Needcompany zu vergleichen, das Impulstanz im Vorjahr gezeigt hat, könnte spannend werden. (Helmut Ploebst / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.7.2009)