"Tod des Betrachters" , eine Ausstellungsansicht

Foto: Wolfgang Thaler/Secession

Wien - Nach dem "Tod des Autors" kommt der "Tod des Betrachters" - jedenfalls für Pierre Bal-Blanc, den Direktor des Centre d'Art Contemporain nahe Paris, der für die Wiener Secession die Ausstellung "The Death of the Audience" kuratierte. Miteinbezogen ist der Ort der bis 30. August laufenden Ausstellung selbst: Er gilt für den Franzosen als "legendärer Ort, an dem die Geschichte der westlichen Kunst Ende des 19. Jahrhunderts eine Wende in Form eines radikalen Bruchs erfahren" hat, wie er beim Pressegespräch am Donnerstag vor der Eröffnung sagte. Nun will er mit mehr als 30 Künstlern, die zwischen 1960 und 1980 "ebenfalls eine Zäsur in unserer Zeitgeschichte setzten", die radikale Veränderung, die zwischen diesen beiden historischen Perioden stattfand, demonstrieren.

Während sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts alles auf die Person des Künstlers konzentrierte, bestehe die Herausforderung seit 1968 auf der Ebene des Betrachters. "The Death of the Audience" nimmt wiederum Bezug auf das 1968 erschienene Buch "Der Tod des Autors" von Roland Barthes, und Bal-Blanc konstatiert den Tod des Betrachters als "logische Konsequenz". Tot sei der Betrachter aus zweierlei Gründen: Entweder sei er emanzipiert oder aber er habe sich "vom Werk entfremdet und auf einen Prozess der Interpassivität eingelassen, der ihn letztlich absorbiert und ihm seinen Namen raubt".

Quirlige Weigerungen

Als verbindendes Glied zwischen den Künstlern sieht Bal-Blanc die "Gemeinsamkeit, dass sie sich sehr früh den Grenzen dieser Alternative bewusst waren. Indem sie marginalisiert waren oder sich vom Markt oder den Institutionen marginalisieren ließen, haben sie die Kunst vor allem als kritische, konkrete und alltägliche Praxis entdeckt. Ihre Abspaltung sollte die unsere als Betrachter sein: Eine Weigerung, sich auf eine Rolle festlegen zu lassen."

Wie wenig konstant Kunst sein kann, demonstrieren die Arbeiten "Moving Wall", "Sponge" und "Rug" des amerikanischen Künstlers Robert Breer: Seine motorisierten Schaumstoff-Skulpturen wandern durch den Ausstellungsraum, die eigens für die Secession konstruierte Wand verändert den Raum stetig und schafft so neue Perspektiven auf die umstehenden Kunstwerke.

Mit ihren ironisch-feministischen Werken sticht die Künstlerin Nicola L. hervor: Neben ihrer 1969 konzipierten "Femme Commode" - einer in weiblichen Formen gebauten Kommode mit Schubladen statt Augen, Mund, Busen und Unterleib - zeigt die Secession auch den "Woman Iron Table" inklusive phallischem Bügeleisen. Gegenübergestellt wird diesen Arbeiten die Skulptur "Bubble Machines" von David Medalla, die aus unterschiedlich hohen Plexiglasröhren besteht, die - mit Wasser und Seife gefüllt - ohne Unterlass weißen Schaum produzieren, der nach einer Zeit des Auftürmens an den Rohren hinabgleitet und am Boden schließlich vergeht.

Bunt über die Ausstellung verstreut finden sich die Fotografien des Schweizers Walter Pfeiffer, der mit Motiven wie "Untiteled (penis)" (1979), "Untiteled (four hands with knives") (2001) oder "Untiteled (fish boy)" (2002) den Fokus auf Körperteile legt. Durch die Vielfalt der Positionen und den Verzicht auf Beschilderung der Kunstwerke wird der Betrachter in den Räumen der Secession jedenfalls herausgefordert. (APA)