Christine Bauer-Jelinek: "Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit wird zwar immer wieder diskutiert, es fehlt aber der Druck."

Foto: OTS-Fotoservice/Formanek

STANDARD: Jedes Jahr derselbe Krampf. Es fehlen Ferien-Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Warum reagiert die Politik nicht?

Bauer-Jelinek: Es ist ein Teilproblem der gesamten Versorgung. Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit wird zwar immer wieder diskutiert, es fehlt aber der Druck. Die Forderungen können machttechnisch nicht durchgesetzt werden. Das Betreuungsthema während der Ferien war schon aktuell, als meine Kinder klein waren, das ist 30 Jahre her. Man muss mehr Druck machen.

STANDARD: Wer? Die Frauen?

Bauer-Jelinek: Kinderbetreuung ist ein Elternproblem. Männer, die sich in der Erziehungsarbeit engagieren, merken, dass es auch ihr Problem ist. Leider sind diese Männer noch eine Minderheit.

STANDARD: Frauen reagieren auf fehlende Strukturen, indem sie Teilzeit arbeiten.

Bauer-Jelinek: Oder kreative Lösungen suchen, weil sie gewohnt sind zu improvisieren. Das signalisiert aber: Es ist eh kein Problem, man kann eh alles selbst lösen. Die Problematik müsste sichtbar gemacht werden. Frauen, Eltern sollten mit den Kindern aufmarschieren, Aktionen setzen, das Thema in die Medien bringen.

STANDARD: Mit der Teilzeitarbeit tun sich Frauen nichts Gutes, sie verdienen weniger, bekommen weniger Pension.

Bauer-Jelinek:  Der Nachteil liegt auf der Hand. Aber Frauen in die Ganztagsarbeit zu hetzen ist weder für die Frauen noch für die Kinder noch für die Väter gut. Frauen, die sich in Burnout arbeiten, sind nicht der richtige frauenpolitische Ansatz.

STANDARD: Das klingt konservativ. Sollen die Frauen daheim bleiben?

Bauer-Jelinek:  Wenn man eine gesunde Gesellschaft möchte, müssen jene Menschen, die Familienarbeit machen, Männer wie Frauen, abgesichert und pensionsberechtigt sein. Das Problem ist ein grundsätzliches, es betrifft alle, die Familienarbeit leisten - nicht nur Frauen. (Jutta Berger/DER STANDARD - Printausgabe, 1.7.2009)