Markus Schnitzer studierte Sportwissenschaften.

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"Wir verstehen darunter keine Turnstunde nach Feierabend." Betriebliches Gesundheitsmanagement, betont Markus Schnitzer, verfolge einen "ganzheitlichen Ansatz". Das geht von der Bewegung über die Ernährung bis hin zur Optimierung betrieblicher Strukturen. Markus Schnitzer ist Geschäftsführer von IGM, dem Institut für Gesundheitsmanagement mit Sitz in Innsbruck. Der Sportwissenschaftler referierte beim HR-Circle über sein "VitalBilanz Konzept".

Sehnsucht nach Vitalität

"Menschen haben die Sehnsucht, vital zu sein", glaubt Schnitzer. Eine Sehnsucht, die allerdings stark ausbaufähig ist. Denn die meisten Leute, so der Tiroler, definieren ihr persönliches Gesundheitsbewusstsein über das Gegenteil; dem Kranksein. Wer nicht krank ist, ist gesund. Unter Gesundheit versteht Schnitzer aber mehr. Nämlich Vitalität. Und die, sagt der Sportökonom, führt nachweislich zu einem Mehr an Produktivität. Insofern würden Unternehmen von Gesundheitsmanagement profitieren, versichert der Mentalcoach, der u.a. Triathlon-Olympiasiegerin Kate Allen unter seinen Fittichen hatte.

Umwegrentabilität

Neben dem individuellen Profit für die Angestellten gibt es auch einen monetären für das Unternehmen, behauptet Schnitzer. Die "Umwegrentabilität" lasse sich auch in Zahlen gießen. "Wer einen Euro in die Gesundheit seiner Mitarbeiter investiert, bekommt innerhalb von drei Jahren drei Euro dafür retour", sagt Schnitzer und verweist auf weniger Krankenstandstage und eine Steigerung in puncto Effektivität. Bei Fließbandarbeit lohne sich das sogar im Verhältnis 1:20. In dem Metier könnten etwa regelmäßige Übungen für den Rücken enormen Schaden abwenden, erzählt der Tiroler, der seit 20 Jahren als Vitalcoach tätig ist.

Suche nach dem Sinn

In den letzten Jahren habe es eine rapide Zunahme von psychischen Erkrankungen, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Problemen gegeben, berichtet Schnitzer. Er sieht es als seine Aufgabe, den Sinn von Gesundheit zu vermitteln: "Das ist der zentrale Faktor." Gesundheitsbewusstsein müsse Teil der Unternehmenskultur werden und als solche fix verankert werden, fordert er. Einzelne Maßnahmen wie etwa Sporttage seien zwar schön und gut, in Summe aber zu wenig. Er spricht von einer breiten Palette an Möglichkeiten. Die fünf Bausteine seines "VitalBilanz Konzepts": "Umfeld, Energie, das Mentale, Ernährung und die Bewegung."

Sensibilisierung

Das Prozedere, um Gesundheitsmanagement in einem Betrieb zu implementieren, skizziert Schnitzer folgendermaßen. Am Anfang brauche es vitale Impulse. "Man muss ein Bewusstsein für das Thema schaffen", erläutert er. Diese Sensibilisierung - etwa mit Workshops - könne bei großen Unternehmen bis zu einem halben Jahr dauern. Danach, so Schnitzer, komme die "Vital Diagnostik". Möglichkeiten seien hier etwa Energie- oder Stressmessungen. Eine Rolle spielt auch das Thema ergonomisches Arbeiten. "Die Diagnostik auf der einen und das Verständnis auf der anderen Seite sind enorm wichtig."

Um das Ganze zu institutionalisieren, werden schließlich Kurse angeboten. Das können Sporteinheiten wie gemeinsames Laufen oder Gymnastikstunden sein. Ein wichtiger Bestandteil des gesamten Pakets ist auch die Ernährung. Kleine Initiativen wie zum Beispiel Obst zur freien Entnahme würden eine große Wirkung entfalten, so Schnitzer.

"Vital Portal"

Damit die Organisation gemanagt werden kann, sollte ein eigenes "Vital Portal" installiert werden, rät er. Dies könne im Rahmen der Firmenhomepage betrieben werden: "Das ist ein System, wo sich Mitarbeiter mit einem Passwort anmelden." Hier sollen alle Termine gelistet sein. Die Leute können ohne großen Aufwand ihre Kurse buchen. Via Newsletter werden die Registrierten über alle Angebote informiert. Natürlich, räumt er ein, müsse die Firma zusätzliche Ressourcen zur Verfügung stellen: "Es braucht einen Administrator, der das Portal betreut."

"Bei gutem Gesundheitsmanagement kann ein 65-Jähriger die gleiche Arbeitsleistung wie ein 40-Jähriger bringen", ist er vom Erfolg naturgemäß überzeugt. Die Entscheidung, es als Unternehmensphilosophie zu verorten, sei immer eine Frage des Managements. Und das, so Schnitzer, ist oft das Problem: "Wenn der Chef skeptisch ist, hat man so gut wie keine Chance." Sollte es die Geschäftsführung selber einmal "umhauen", setzt das manchmal einen Umdenkprozess in Gang.

Workshops mit Shaolin-Mönchen

Hartgesottene Gegner könne man oft mit alternativen Methoden aufweichen. "Verführen zu Vitalität" nennt er das und erzählt von Workshops mit Shaolin-Mönchen, die sich dem Thema "Energie" widmen. Neugierde als Köder: "Die Leute kommen, um sich das anzuschauen, obwohl sie ablehnend sind."

"Je mehr Mitarbeiter ein Unternehmen hat, desto billiger wird es", sagt Schnitzer zu den Kosten für betriebliches Gesundheitsmanagement. Pro Angestellten müsse man grob mit einer jährlichen Investition von rund 150 Euro rechnen. Ab 400 Leuten aufwärts gibt es Vitalität schon um den Preis von ca. 100 Euro pro Jahr, präzisiert er. 

Breite Förderungen

Von der Politik wünscht er sich mehr Anreize, damit Firmen die Gesundheit forcieren: "Österreich hinkt hinterher." Verbesserungen bei steuerlicher Absetzbarkeit und ein Ausbau der Förderungen würden schon viel bringen, ist er überzeugt. Für die Zukunft zeigt er sich aber optimistisch: "Rom wurde schließlich auch nicht an einem Tag erbaut." (om, derStandard.at, 30.6.2009)